Chronik/Welt

#MeToo auch in China angekommen

Die #MeToo-Debatte hat China erreicht und an über 30 Universitäten zu Protesten geführt.

In Peking verlor am Freitag der Hochschullehrer Chen Xiaowu seinen Job, nachdem ihn mindestens sechs ehemalige Studentinnen beschuldigt hatten, sie über Jahre sexuell belästigt zu haben. Und im sozialen Netzwerk Weibo feierten viele Nutzer sogleich die Entlassung des Professors als Zwischensieg. Sie fordern striktere Regeln zum Schutz vor sexueller Belästigung.

Kleiner Tsunami

Es ist ein kleiner Tsunami, der da aus den USA ins ferne China überschwappte. Ausgelöst hat ihn die in den USA lebende Luo Xixi, die vor 14 Jahren bei dem Professor promovierte. Sie hat ihre Anschuldigungen auf dem chinesischen Kurznachrichtendienst Weibo veröffentlicht und mit der Kennzeichnung #MeToo versehen.

Chen Xiaowu versuchte, sich zu verteidigen und teilte mit, dass er "nichts Illegales" getan habe. Doch es nütze ihm nichts. Vor zwei Wochen wurde er suspendiert und am Freitag mit Schimpf und Schande entlassen.

Die Pekinger Beihang Universität ließ verlautbaren, Chen Xiaowus Verhalten habe gegen die Berufsethik verstoßen. Sein Verhalten habe einen "abscheulichen Einfluss auf die Gesellschaft" geschaffen. Chens Karriere ist zu Ende, ob er ins Gefängnis muss, weiß niemand.

Dass Menschen möglicherweise auch zu Unrecht beschuldigt werden, ob aus Rache oder anderen niederen Motiven, und ihrer bürgerlichen Rechte verlustig gehen, dämmert schön langsam auch vielen Liberalen in Europa. Seit Catherine Deneuve diese Woche einen Brandbrief gegen die #MeToo Bewegung veröffentlichte und ein Ende der "Denunziationskampagne" gegen Männer forderte, dreht sich die Debatte.

Wo bleibt Rechtsstaat?

Viele Juristinnen sagen jetzt nämlich: Zu jeder Anklage gehört das Recht auf Verteidigung, um einen fairen Prozess zu gewährleisten. Das Frauennetzwerk der Opfer forderte am Freitag ein Ende der Verjährungsfristen, die in vielen lange zurückliegenden Fällen eine Anklage unmöglich machten.

Die linksliberale französische Tageszeitung Libération kommentierte den Deneuve-Brief so: "Aber ja, einige Argumente sind zutreffend und werfen wichtige Fragen auf. Vor allem die Gefahr, dass Menschen zu Unrecht (des Übergriffs) bezichtigt werden."

Und auch in der deutschen Welt kommentierte Kathrin Spoerr: "Der Brief lässt jeden erleichtert aufatmen, der in den vergangen drei Monaten dachte, verrückt zu werden. #MeToo war überall. Alle Männer waren Schweine, alle Frauen Opfer. Frauen erklärten der Welt, dass jedes Kompliment ein Übergriff sein kann."

Dass ausgerechnet Bunga-Bunga-Silvio-Berlusconi der Deneuve applaudiert, muss man wohl hinnehmen.