Chronik/Welt

Lampedusa: Letta will Migrationsgesetz lockern

Nach der Flüchtlingstragödie von Lampedusa erklärte sich Italiens Premier Enrico Letta bereit, das strenge Einwanderungsgesetz zu überdenken, das vor allem vom Mitte-rechts-Lager verteidigt wird. Das Gesetz war 2002 vom ehemaligen Präsidenten der Abgeordnetenkammer, Gianfranco Fini, und vom Gründer der Lega Nord, Umberto Bossi, entworfen worden. Es zwinge immer mehr Migranten, illegale Wege zur Einwanderung zu suchen, meinen Kritiker.

„Ich überprüfe die Frage einer Revision des Einwanderungsgesetzes“, erklärte Enrico Letta nun. Darüber wolle er im Ministerrat diskutieren. Dies dürfte schwere Auseinandersetzungen mit der Partei seines Koalitionspartners Silvio Berlusconi, „Volk der Freiheit“ (PdL), auslösen, die sich hartnäckig gegen die Revision des Einwanderungsgesetzes stemmt.

2009 war das Vergehen der illegalen Einwanderung in das italienische Strafbuch eingeführt worden. Justizermittlungen können seither gegen alle eingeleitet werden, die illegal einwandern. Ihnen drohen unter Umständen auch Haftstrafen. Ermittlungen wurden daher auch gegen die 155 Überlebenden der jüngsten Flüchtlingstragödie aufgenommen.

Enrico Letta berichtete, dass EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Mittwoch Lampedusa besuchen werde. Dabei wolle die Regierung in Rom Druck auf die EU machen, damit Italien mehr Hilfe erhält. Über die politischen Konsequenzen der Tragödie soll auch morgen, Dienstag, beim Treffen der EU-Innenminister in Luxemburg diskutiert werden. Europaweit mehren sich die Stimmen für eine Reform der Flüchtlingspolitik.

Kyenge vor Ort

Italiens Integrationsministerin Cecile Kyenge, die in den 1980er-Jahren selbst als „Illegale“ aus dem Kongo nach Italien gekommen war, traf gestern, Sonntag, auf Lampedusa ein. „Wir müssen mit allen Mitteln verhindern, dass solche Tragödien wieder vorkommen“, sagte die 49-Jährige. Gemeinsam mit Giusi Nicolini, der Bürgermeisterin von Lampedusa, besuchte sie ein Auffanglager. Nicolini, 51, setzt sich für eine menschenwürdige Behandlung von Flüchtlingen ein.

Am Donnerstag war ein Schiff mit Hunderten Afrikanern vor der Küste von Lampedusa gekentert. Nur 155 Menschen überlebten. Das Schiff liegt auf dem Meeresgrund in 47 Meter Tiefe; 40 Taucher sind im Einsatz, um die Toten zu bergen. Gestern, Sonntag, wurden 32 Leichen nach oben gebracht; damit wurden bisher 143 Menschen tot geborgen. Viele werden wohl nie gefunden werden.

Beim Angelus-Gebet gestern, Sonntag, gedachte der Papst erneut der Ertrunkenen: „Unsere Herzen weinen, lasst uns in Stille beten.“