Wie Japans "Heimatort-Steuer" zum Geschäftsmodell wurde
Von Susanne Bobek
Man stelle sich vor, man bestelle Wein bei einem Weingut in Gols, bezahle den Preis aber an die Gemeinde Gols und kann die Rechnung als (Wein)Spende von der Steuer absetzen. So funktioniert Japan. Um die ländlichen Gemeinden, die wegen Abwanderung wenig Steuereinnahmen haben, zu fördern, kann man eine Spende an die Gemeinde steuerlich absetzen. Kinder, die ihre alten Eltern in kleinen Dörfern zurückgelassen haben und im großen Tokio Karriere machten, spendeten noch aus schlechtem Gewissen. Doch in den letzten Jahren ist daraus ein reger Handel entstanden. Jeder darf jeder Gemeinde etwas spenden, egal, ob er dort geboren wurde oder nicht.
Die Gemeinden bieten ihre Produkte als Dankeschön für die Spende an. Wer also in Tokio Kobe-Rind um, sagen wir 100 Euro, kaufen will oder Thunfisch, sucht sich die Gemeinde, die das gerade im Angebot hat, und spendet an das Dorf. Umgehend kommt das Päckchen per Versand. So geht das mittlerweile mit Pfirsichen, Tee, aber auch mit gewöhnlichen Markenjeans oder Sneakers.
Da die Spende zu Abzügen bei der Gemeindesteuer am Wohnort und bei der nationalen Einkommenssteuer berechtigt, machen manche Großverdiener wegen der Steuerprogression mit ihren Spenden Profite. Mittlerweile gibt es Kataloge und Websites, die zeigen , welches "Geschenk" es für welche Spende gibt. Kommerzielle Firmen sammeln die Spenden und organisieren den Versand. Angeblich wurden auf diese Art in einem Jahr bereits umgerechnet 1,27 Milliarden Euro umgesetzt.
Furusato Nozei, wörtlich übersetzt heißt das Heimatort-Steuer, hat die Regierung als Instrument zur Regionenförderung eingesetzt. Doch es stellte sich heraus, dass ein Viertel der Spenden an nur 20 Gemeinden floss. Das sind die mit den exzellenten lokalen Spezialitäten. Wer keine eigenen Produkte hat, muss sich seine Geschenke teuer einkaufen – und eben Jeans oder Taschen anbieten. Mit Heimatbewusstsein hat der steuerschonende Einkauf nichts mehr zu tun. Dafür klagen jetzt Bezirke in Tokio, dass sie weniger Steuereinnahmen haben.