Chronik/Welt

Staatstrauer in Brasilien nach Flugzeugabsturz

Ein Flugzeug mit 81 Menschen an Bord, darunter ein Erstliga-Fußballteam aus Brasilien, ist im Nordwesten Kolumbiens abgestürzt. Wie die Luftfahrtbehörde in der Nacht auf Dienstag mitteilte, verunglückte die Maschine vom Typ Avro RJ85 der bolivianischen Gesellschaft Lamia am Berg El Gordo in der Nähe der Ortschaft La Union. Es soll laut Behördenangaben 75 Tote und sechs Überlebende geben.

Vom Radar verschwunden

Bevor das vierstrahlige Flugzeug gegen 22.00 Uhr (Ortszeit) am Montagabend vom Radar verschwunden sei, hätten die Piloten Probleme mit der Elektronik gemeldet, hieß es unter Berufung auf den Kontrollturm des Flughafens von Medellin im Departement Antioquia.

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An Bord der Maschine waren insgesamt 81 Menschen: 72 Passagiere sowie neun Besatzungsmitglieder. In dem Flugzeug befand sich die Mannschaft des brasilianischen Erstliga-Vereins Chapecoense, die am Mittwoch in Medellin das erste Spiel der Finalrunde des Südamerika-Cups gegen Atletico Medellín bestreiten sollte.
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Verletzte geborgen

Die örtliche Zeitung "El Colombiano" berichtete unter Berufung auf das Rathaus der Ortschaft La Ceja, es seien Verletzte geborgen worden. Es handle sich um Alan Ruschel, einen Abwehrspieler des Teams, und eine Stewardess. Auf Bildern war zu sehen, wie Ruschel auf einer Trage ins Krankenhaus San Juan de Dios in La Ceja gebracht wurde.

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Laut dem brasilianischen Portal "O Globo" und der kolumbianischen Seite "Mi Oriente" wurden auch die beiden Torhüter der Mannschaft lebend geborgen. Der Bürgermeister von La Union, Hugo Botero, sprach von Berichten, wonach es sechs Überlebende gegeben habe.

Wenig später hieß es, mit Innenverteidiger Neto (31) überlebte laut offiziellen Angaben noch ein vierter Chapecoense-Profi das Unglück. Erst vor zwei Wochen war die argentinische Nationalmannschaft mit derselben Maschine geflogen - mit an Bord war damals auch Weltfußballer Lionel Messi vom FC Barcelona.

Blackboxes gefunden

Polizisten seien als Erste zu der schwer zugänglichen Unglücksstelle gelangt, teilte die Luftfahrtbehörde mit. Die Gegend sei wegen Nebels nur auf dem Landweg zu erreichen, nicht aus der Luft. Ein Rettungs-Hubschrauber der Luftwaffe habe deshalb seinen Einsatz abbrechen müssen.

Der örtliche Feuerwehrchef Edison Gutierrez sagte laut "El Colombiano", es stünden 25 Krankenwagen bereit. Sie könnten aber nicht zur Unglücksstelle gelangen. Deshalb seien Geländewagen im Einsatz. Die beiden Blackboxes konnten jedoch trotz der schwierigen Lage geborgen werden.

Finale abgesagt: "Trauriger Tag für Fußball"

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Der südamerikanische Fußballverband Conmebol sagte das Finale nach dem Unglück ab. "Es ist ein trauriger Tag für den Fußball", sagte der Präsident des kolumbianischen Vereins Atletico, Juan Carlos de la Cuesta.

Der brasilianische Staatspräsident Michel Temer hat nach dem Absturz eine dreitägige Staatstrauer angeordnet. "Ich möchte in dieser traurigen Stunde, die die Tragödie für Dutzende Familien bedeutet, mein Mitgefühl aussprechen", ließ Temer in einer Mitteilung des Präsidentenpalastes am Dienstag in Brasilia verlauten.

Chapecoense ist ein Verein aus Chapeco im südbrasilianischem Bundesstaat Santa Catarina, der erst 2014 in die Erste Liga Brasiliens aufgestiegen ist. Die Mannschaft war über Santa Cruz de la Sierra in Bolivien Richtung Medellin in Kolumbien geflogen.

Einige Vereinsspieler konnten wegen Verletzungen nicht an der Reise teilnehmen - und überlebten dadurch.

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Die übrigen Vereine der brasilianischen Liga streben unterdessen Sonderprivilegien für Chapecoense an. Der Verein soll in den kommenden drei Spielzeiten gegen den Abstieg geschützt sein und zudem kostenlos Spieler leihen dürfen.

Mai 1949: Eine Maschine mit der Mannschaft des italienischen Fußballmeisters Torino an Bord streift auf dem Rückflug von Lissabon bei Turin einen Kirchturm und stürzt ab. Alle 31 Insassen kommen ums Leben, darunter 15 Fußballer

Februar 1958: Die Fußballmannschaft des englischen Clubs Manchester United stürzt auf dem Rückflug von einem Spiel bei Roter Stern Belgrad kurz nach einer Zwischenlandung in München ab. 23 Menschen sterben, darunter 8 Fußballer. 15 Insassen überleben, darunter Fußball-Legende Bobby Charlton und Trainer Matt Busby.

April 1961: Sieben Spieler des chilenischen Fußballclubs Grenn Cross sind unter den 23 Opfern des Absturzes einer DC-3 an den Hängen der Anden, etwa 160 Kilometer südlich von Santiago de Chile.

Jänner 1966: Sieben Schwimmer der italienischen Nationalmannschaft kommen bei Bremen ums Leben, als eine Propellermaschine der Lufthansa nach einem abgebrochenen Landeversuch abstürzt.

Oktober 1972: Eine Maschine der uruguayischen Luftwaffe prallt in den chilenischen Anden gegen einen Berg. An Bord ist auch eine 40-köpfige Rugby-Mannschaft aus Montevideo. Erst zehn Wochen später werden 16 Menschen gerettet. Sie überlebten auch durch Kannibalismus. Hollywood verfilmte 20 Jahre später unter dem Titel "Alive" (Überleben!) den Überlebenskampf der Passagiere.

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August 1979: 14 Spieler und 3 Betreuer des usbekischen Fußball-Clubs Pachtakor Taschkent sterben bei einem Unglück über der Ukraine. Zwei sowjetische Maschinen waren zusammengestoßen.

Dezember 1987: Ein Flugzeug der peruanischen Marine stürzt vor der Küste von Lima ins Meer. Unter den 43 Todesopfern sind 16 Spieler der Fußballmannschaft Alianza Lima, vier davon spielten auch für das peruanische Nationalteam.

Juni 1989: Eine DC-8 der surinamischen Gesellschaft SLM streift beim Landeanflug auf Paramaribo einen Baum und zerschellt. Unter den 174 Toten sind 16 in den Niederlanden tätige Fußball-Profis, die in ihrer Heimat Benefizspiele bestreiten wollten.

April 1993: Auf dem Flug zu einem WM-Qualifikationsspiel im Senegal kommen alle Stammspieler der Fußball-Nationalmannschaft von Sambia ums Leben. Die Militärmaschine stürzte ins Meer.

September 2011: Eine Maschine mit dem Team des russischen Eishockey-Clubs Lokomotive Jaroslawl stürzt nach dem Start ab. Insgesamt 44 Menschen sterben.

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28. November 2016: Ein Flugzeug mit der Mannschaft des brasilianischen Erstliga-Vereins AF Chapecoense an Bord stürzt im Nordwesten Kolumbiens ab. Laut Polizeiangaben kommen 76 Menschen ums Leben, unter den fünf Überlebenden befinden sich laut Medienberichten auch drei Chapecoense-Spieler.

Das auf dem Weg zum Finale der Copa Sudamericana bei einem Flugzeugabsturz verunglückte Fußballteam AF Chapecoense steht im Schatten der großen brasilianischen Clubs, war zuletzt aber sehr erfolgreich. Der 1973 gegründete Verein stammt aus Chapeco im Westen des südbrasilianischen Bundesstaats Santa Catarina, der stark von Einwanderern aus Deutschland und Italien geprägt ist.

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2009 spielte der Verein aus der 200.000-Einwohner-Stadt noch in der vierten Liga und hat seither einen rasanten Aufstieg hingelegt. 2014 gelang der Aufstieg in die erste Liga, die Serie A. Der Einzug in das Finale der Copa Sudamericana - dem südamerikanischen Pendant zur Europa League - gegen Atletico Nacional aus Medellin war der bisher mit Abstand größte Erfolg.

Im Halbfinale hatte Chapecoense den argentinischen Club San Lorenzo ausgeschaltet, den Lieblingsverein von Papst Franziskus. Am vergangenen Sonntag verlor der aktuelle Neunte der Serie A auswärts in Sao Paulo gegen Palmeiras 0:1. Palmeiras sicherte sich mit diesem Sieg vorzeitig den ersten Meistertitel seit 22 Jahren.

Einer der bekanntesten Spieler in der Geschichte von Chapecoense ist der Deutsch-Brasilianer Paulo Rink, der später in der deutschen Bundesliga von 1997 bis 2002 auch für Bayer Leverkusen spielte und zu insgesamt 13 Einsätzen in der deutschen Nationalmannschaft kam.