Chronik/Welt

Schwule CEOs outen sich nicht

Der ehemalige Chef des britischen Mineralölgiganten BP, John Browne, sorgt mit seinem Buch "The Glass Closet: Why Coming Out Is Good for the Business" (Das Glashaus: Warum ein Outing gut fürs Geschäft ist) für Diskussionen. Der Physiker aus Hamburg, der als Barone Browne of Madingley im britischen Oberhaus sitzt, musste 2007 als CEO zurücktreten, weil er von einer Zeitung als schwul geoutet wurde. Er wollte BP "unnötige Peinlichkeiten" ersparen.

Jetzt spricht der Top-Manager erstmals offen darüber, wie schwer es für ihn war, ein Doppelleben zu führen. Und wie hart der Druck war, sich anzupassen.

Die New York Times hat mit anderen schwulen Firmenchefs gesprochen und festgestellt, dass fast alle anonym bleiben und sich nicht outen wollen. In vielen Chefetagen gilt Homosexualität immer noch als Karrierekiller.

Denn ein Manager sollte eine attraktive Frau, Kinder, einen Hund und ein Haus vorweisen können. Soweit das Klischee. Browne sagt, dass viele Wirtschaftskapitäne, die die entfesselte, liberale Marktwirtschaft leben, privat offen homophob seien. Und mit Wladimir Putin hätte er als geouteter schwuler BP-Chef nicht verhandeln wollen. Dabei haben heterosexuelle, testosterongesteuerte Alphatiere oft einen ausschweifenderen Lebenswandel als ihre homosexuellen Kollegen.

Unglücklich

"Ich habe meine Sexualität immer als Privatsache angesehen und als etwas, das geheim gehalten wird", sagt Browne. Doch innerlich fühlte er sich isoliert mit seinem Geheimnis und war dabei sehr unglücklich. Heute behauptet er, dass Firmen viel Geld verlieren, wenn sie Mitarbeiter aufgrund ihrer sexuellen Orientierung nicht weiter fördern.

Und wie gefährlich ein Geheimleben sein kann, musste Browne ja am eigenen Leib erfahren.

Sein damals 27-jähriger Ex-Lover, ein kanadischer Student, mit dem er vier Jahre eine Beziehung hatte, rächte sich, indem er die Story an Associated Newspapers (Mail on Sunday) verkaufte. In einem Rechtsstreit mit dem Verlag überführte der Richter den BP-Chef der Notlüge. Browne hatte behauptet, seinen Freund beim Joggen im Londoner Battersea Park kennengelernt zu haben. Tatsächlich war der Lover ein Callboy.

Der 66-jährige Browne führt seit seinem Rücktritt eine Beziehung mit einem heute 32-jährigen Vietnamesen und findet, dass er sich früher hätte outen müssen, um nicht erpressbar zu werden. Heute ist er Finanzinvestor, Vorstand der Tate Galleries und Regierungsberater. Er gilt als enger Freund des Ex-Premiers Tony Blair.

Browne findet es an der Zeit, dass sich auch Top-Manager und Unternehmer in der Öffentlichkeit outen, so wie das in der Kunstwelt und in der Politik üblich ist. Denn der unheimliche Aufwand, mit dem das Schwulsein kaschiert wird, kostet Kraft und verschwendet Ressourcen. Für Leute seiner Generation war das Outing damals unvorstellbar, selbst Browns Mutter, eine rumänische Jüdin, die das KZ Auschwitz überlebt hat und bei ihm bis zu ihrem Tod wohnte, erfuhr nichts.