Übergriffe fast täglich: "Es brennt in Deutschland"
Von Susanne Bobek
Der Tag nach dem Brandanschlag auf ein Asylquartier in Oberösterreich. In Deutschland brennt fast jeden Tag ein Flüchtlingsheim.
In Schleswig-Holstein zündete ein Finanzbeamter und Familienvater ein Flüchtlingsheim an. Vor Gericht sagte er, die Fremden hätten "die Idylle beeinträchtigt".
222-mal wurden zwischen 1. Jänner und 30. November 2015 Flüchtlingsheime in Deutschland angezündet, unter Wasser gesetzt, mit Molotowcocktails oder Pflastersteinen beworfen. Rassistische Schmierereien an den Hauswänden wurden dabei gar nicht mitgezählt; ebenso wenig fremdenfeindliche Menschenaufläufe oder Demonstrationen vor den Heimen der Asylwerber – inklusive dieser Vorfälle gab es 2015 laut Bundeskriminalamt insgesamt 1005 Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte.
"Mit der ganzen Härte des Rechtsstaats" werde der Staat gegen Menschen vorgehen, die Flüchtlinge angreifen, hatte Kanzlerin Angela Merkel versprochen. Ein Reporterteam der Wochenzeitung Die Zeit, das im Herbst acht Wochen recherchierte, fand heraus, dass nur wenige Fälle aufgeklärt werden konnten. Von 222 Angriffen gab es in 169 Fällen keinen Ermittlungserfolg – nur 41 Tatverdächtige wurden ausfindig gemacht; in nur acht Fällen wurde Anklage erhoben und nur vier Urteile gesprochen.
"Es brennt in Deutschland", titelte die Zeit. Es stimmt zwar, dass sich die fremdenfeindlichen Aktionen vor allem in Sachsen und Brandenburg häufen, doch auch ganz im Westen, an der Grenze zu Luxemburg oder im Süden, an der Grenze zu Österreich gab es Anschläge. Den Tätern sei es meistens egal, ob die Heime bewohnt waren oder noch leer standen: Die Hälfte der angezündeten Häuser war bewohnt. Es sei ein glücklicher Zufall, dass noch kein Flüchtling bei den Anschlägen ums Leben kam.
Ralf Jäger, Innenminister von Nordrhein-Westfalen, führt die Entwicklung auch auf die Hetze im Internet zurück: "Menschen trauen sich das, weil sie glauben, dass ihre radikale und rassistische Haltung begrüßt und gutgeheißen wird." Nur ein Drittel der Verdächtigen kämen aus der rechtsradikalen Szene.