Chronik/Welt

Entführte Amanda Berry ist wieder zu Hause

Nach der spektakulären Befreiung von drei seit Jahren vermissten Frauen in Cleveland laufen die Ermittlungen auf Hochtouren. "Das ist nur die Spitze des Eisbergs, diese Ermittlungen werden sehr lange dauern", sagte die Polizeisprecherin von Cleveland, Jennifer Ciaccia, am Mittwoch.

Zwei der Opfer, Amanda Berry und Gina DeJesus, sind nach Hause zurückgekehrt. Der Lokalsender ABC Channel 5 News berichtete live von der Rückkehr der 2003 im Alter von 16 Jahren verschwundenen Amanda Berry in den Kreis ihrer Familie. "Wir sind glücklich, Amanda zu Hause zu haben. Wir brauchen beide Ruhe, um uns zu erholen. Wir schätzen, was die Medien für uns getan haben", sagte die Schwester der Berrys.

Der 52-jährige Hauptverdächtige Ariel Castro ist am Mittwoch formal der Entführung und Vergewaltigung beschuldigt worden. Castro werde vorgeworfen, Berry, DeJesus und Michelle Knight während ihrer jahrelangen Gefangenschaft vergewaltigt zu haben, sagte Staatsanwalt Victor Perez am Mittwoch in Cleveland im US-Staat Ohio. Castros zwei Brüder, die nach der Befreiung der Frauen am Montag ebenfalls festgenommen worden waren, wurden demnach nicht beschuldigt.

Vorwürfe

Unterdessen wurden Vorwürfe gegen die Polizei laut. Sie soll frühe Hinweise auf ein Verbrechen zu schnell abgetan haben. Nachbarn hatten Medienberichten zufolge die Polizei mehrmals auf eigenartige Vorgänge und angeblich sogar auf "Frauen in Ketten" in dem Haus aufmerksam gemacht. Die Polizei verteidigte sich auf ihrer Internetseite: Man habe nur zwei Hinweise erhalten und sei diesen auch nachgegangen. Beide hätten nichts mit den vermissten jungen Frauen zu tun gehabt. Nach der Befreiung wurden in dem Haus tatsächlich Ketten und Seile gefunden. "Wir können bestätigen, dass sie gefesselt wurden", sagte Polizeichef Michael McGrath. Für Aufregung sorgte auch, wie die Ermittler mit dem Notruf von Amanda Berry umgegangen waren. Das Opfer sei zunächst nicht ernst genommen worden, werfen Kritiker der Polizei vor. Auf ihrer Facebook-Seite versprach die Polizei eine Untersuchung.

Auch nach der Befreiung der 23, 27 und 32 Jahre alten Frauen sowie einer offenbar in Gefangenschaft zur Welt gebrachten Tochter blieben die Umstände ihres jahrelangen Verschwindens ungewiss. Amanda Berry, die nach ihrer Befreiung durch den Nachbarn Charles Ramsey am Montag die Polizei gerufen hatte, sowie Gina DeJesus und Michelle Knight waren zwischen 2002 und 2004 zuletzt gesehen worden. Cleveland feierte Berry, die als 16-Jährige verschwand: "Amanda hier ist die echte Heldin", sagte der stellvertretende Polizeichef Ed Tomba am Dienstagabend (Ortszeit). "Sie hat die Sache ins Laufen gebracht (...) Ohne sie wären wir jetzt nicht hier."

"Ich bin glücklich, dass du wieder bei uns bist", sagte Berrys Großmutter in einem an ihre Enkelin gerichteten Anruf, den der Sender ABC ausstrahlte. Sie habe immer gedacht, Amanda sei tot. "Ich bin glücklich, wieder da zu sein", antwortete die 27-Jährige. Am Haus der Familie von DeJesus hingen Schilder mit der Aufschrift "Willkommen zu Hause, Gina!". Die Polizei sperrte das Gebiet aus Rücksicht auf die Familie ab.