Zugsunglück in Bad Aibling: "Ein mulmiges Gefühl"
Die Bilder wollen nicht aus dem Kopf: Zwei ineinander verkeilte Züge, in Waggons Tote und Dutzende teils lebensgefährlich Verletzte, nach Hilfe schreiende Menschen. Auch wird Wolfram Höfler sein Leben lang nicht vergessen, dass noch Stunden nach der Bergung Handys in Leichensäcken läuteten. Er leitete den Einsatz der Feuerwehr beim verheerenden Zugsunglück vom 9. Februar 2016 in Bad Aibling.
Beim Zusammenstoß zweier Züge starben vor einem Jahr zwölf Menschen, 69 Insassen wurden teils lebensgefährlich verletzt. Vor zwei Monaten verurteilte das Landgericht Traunstein den zuständigen Fahrdienstleiter der Deutschen Bahn (DB) wegen fahrlässiger Tötung zu dreieinhalb Jahren Haft. Der Mann hatte - vom verbotenen Handyspielen abgelenkt - mehrere Signale falsch gestellt. Mit einer schlichten Andacht an der Gedenkstätte nahe der Unfallstelle wird zum Jahrestag am kommenden Donnerstag an die Katastrophe erinnert.
"Ein mulmiges Gefühl"
Erst kürzlich ist Höfler - inzwischen im Ruhestand - wieder an jener Stelle gestanden, wo am Faschingsdienstag in der Früh die beiden Züge ineinander krachten. "Ich hatte ein mulmiges Gefühl", sagt der 63-Jährige mit über 40-jähriger Berufserfahrung. Mit allen auch noch so schlimmen Einsätzen hat Höfler gedanklich abgeschlossen, sobald der Schutzhelm im Feuerwehrhaus am Haken hing.
Doch im Fall des Zugunglücks "bekomme ich einen wirklichen Abschluss nicht hin". Das liegt auch daran, dass Höfler inzwischen von Hamburg bis Bozen an die 45 Vorträge über den noch heute viel gerühmten Einsatz gehalten hat. Vor wenigen Tagen erhielt die Feuerwehr des oberbayerischen Kurortes den Conrad-Dietrich-Magirus-Preis, der außergewöhnliche Leistungen von Helfern würdigt.
Schreiben der Bahn erhalten
Angehörige von Todesopfern und Verletzte können von derlei Anerkennung nur träumen. Sie erhielten von der Deutschen Bahn bisher lediglich ein Schreiben, in dem der staatseigene Konzern sein Bedauern über das Unglück ausdrückt. Friedrich Schweikert, der 19 Hinterbliebene und Verletzte vertritt, beißt hingegen mit seinen Anfragen zu einem Schuldeingeständnis bei der Bahn auf Granit. "Das stört die Opfer ungemein."
Dabei wollten die Angehörigen und Verletzten sich keineswegs an dem Leid finanziell bereichern, versichert Schweikert. "Ihnen geht es in erster Linie darum, dass jemand von der Bahn sich hinstellt und Verantwortung übernimmt." Die Höhe von Schadenersatzzahlungen stehe für sie nicht im Vordergrund.
Überhaupt stört den Rechtsanwalt, dass im Strafprozess allein das schuldhafte Verhalten des Fahrdienstleiters eine Rolle gespielt habe. Dabei habe es die Bahn über 30 Jahre versäumt, die Strecke wie vorgeschrieben mit moderner Signaltechnik auszustatten. Es gibt jedoch die Einschränkung, dass sie dies nur im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten tun musste. Auf der eingleisigen Linie von Rosenheim nach Holzkirchen sei der Bahn moderne Signaltechnik offenbar nichts wert gewesen, so der Vorwurf des Opfer-Anwalts. Dabei hätte mit besserer Technik nach Überzeugung von Schweikert der Zusammenstoß wahrscheinlich verhindert werden können.