Chronik/Welt

Die Kennedys von Kanada

Sein Vater Pierre war von 1968 bis 1984 mit Unterbrechungen Premierminister von Kanada. Seine Mutter Margaret wurde für diese Unterbrechungen verantwortlich gemacht. Sie schmuggelte im Gepäck des um 29 Jahre älteren Premierminister-Ehemanns Drogen und war in den 1970er-Jahren für jeden Skandal gut. Als Groupie der Rolling Stones, als Stammgast im legendären Studio 54 in New York, als Geliebte von Jack Nicholson und Ryan O’Neal, bei dem sie im kurzen roten Lederrock über den Zaun eingebrochen war.

Justin Trudeau, ihr ältester Sohn, wurde im November zum 23. Premierminister Kanadas gewählt. Der 44-Jährige und seine glamouröse Frau Sophie Grégoire, 41, werden beim G7-Gipfel, der heute in Japan beginnt, die neuen, frischen Gesichter in der Runde sein.

"Liebe endet nie"

Justin Trudeau, ein Literaturwissenschaftler und Pädagoge, wurde im Oktober 2000 beim Staatsbegräbnis für seinen Vater Pierre mit einer bewegenden Trauerrede berühmt. Mama Margaret, inzwischen zum zweiten Mal geschieden, kniete am Sarg ihres Ex-Mannes nieder und sagte dazu: "Nur weil eine Ehe scheitert, heißt das nicht, dass unsere Liebe endete."

Justin wurde 1971 geboren und wuchs nach der Trennung seiner Eltern 1977 beim Vater auf. Er war der Kronprinz einer Familie, die die Geschicke Kanadas seit Generationen mitgeprägt hat. In der Liberalen Partei kam er rasch nach oben. Nach dem Lawinentod seines Bruders Michel setzte er sich für mehr Sicherheit im Wintersport ein, dann kümmerte er sich um ein Bildungsprogramm für sozial benachteiligte Kinder, kämpfte gegen eine Zink-Mine, die seiner Meinung nach ein Naturschutzgebiet vergiftete.

Trudeau will die vollkommende Liberalisierung von Cannabis bis spätestens 2017 durchgebracht haben. Er war Boxer, Türsteher, Lehrer, setzte sich als Tänzer und Yogi in Szene und spielt natürlich Eishockey. Sein Wahlkampf, inszeniert als Boxkampf und Show, ließ die bis dahin regierenden Konservativen alt aussehen.

Privilegierte Ehefrau

Die Ellenbogenaffäre in der Vorwoche überstand der selbst ernannte Feminist locker. Er soll im Parlament bei einer Debatte über die Waldbrände in Alberta eine Abgeordnete geschubst haben.

Seine Frau Sophie geriet allerdings vor wenigen Tagen in einen Shitstorm, weil sie geklagt hatte, dass ihr alles zu viel würde: Drei Kinder, nur eine Assistentin und jede Menge Anfragen als Rednerin, Schirmherrin für Charity-Veranstaltungen und Botschafterin für gute Zwecke. Das "Jammern einer privilegierten Frau" mit Personal regte viele auf.

Die "First Granny" (erste Oma) der Nation ist dafür, so scheint es, rehabilitiert. Seit Margaret Trudeau, 67, gestanden hat, dass sie seit Mädchentagen manisch-depressiv und zu schwach gewesen sei, um sich Hilfe zu holen, gilt sie als Sprachrohr für alle Kanadier, die mit psychischen Problemen kämpfen.

Die "Tru-Beau"-Show

Justin Trudeau hat das politische Talent offenbar im Blut. Auf YouTube ist er ein Star: In verschiedensten Kostümen und Rollen rockt er Kanada, balanciert Babys auf einer Hand, setzt sich für Transgender, Minderheiten und Umweltschutz ein. Er macht alles, was einen echten Konservativen auf die Palme treibt. Bisher hat er damit Riesenerfolg. Als er im Februar 25.000 syrische Flüchtlinge willkommen hieß, brach er endgültig mit der strengen Einwanderungspolitik seines Vorgängers Stephen Harper. ",Tru-Beau‘ zeigt der Welt, warum er der beste Justin aus Kanada ist, seit Bieber", jubeln auch die Briten im Independent.

Warum er sein Kabinett fifty-fifty auf Männer und Frauen aufgeteilt hat? "Ganz einfach, wir schreiben 2015", sagte er im November. Und er verblüffte alle, als er Einsteins Relativitätstheorie tatsächlich in einfachen Sätzen erklären konnte. Justin Trudeau war nämlich einmal Mathe-Lehrer.