Helmut Kohl kritisiert indirekt Angela Merkel
Von Susanne Bobek
Bild-Herausgeber Kai Diekmann ist einer der wenigen, die zum deutschen Altkanzler Helmut Kohl vorgelassen werden. Wenn seine zweite Frau Maike Kohl-Richter, 52, ein paar Tage frei braucht, leisten Diekmann und seine Frau Katja Kessler dem alten Herren im Rollstuhl Gesellschaft, berichten sie selbst. Helmut Kohl war schon Diekmanns Trauzeuge 2002 und bei der Hochzeit von Kohl mit Maike Kohl-Richter 2008 durfte Diekmann diesen Part übernehmen.
Das sollte man wissen, um das Interview, das Helmut Kohl am Sonntag zu seinem 86. Geburtstag gegeben hat, besser einordnen zu können. Kohl wünscht sich "noch ein paar gute Jahre". Ihm falle das Sprechen und Schlucken noch schwer, sagte er der Bild-Zeitung. Helmut Kohl, der von 1982 bis 1998 Bundeskanzler der Bundesrepublik war und die Wiedervereinigung durchgezogen hatte, verbrachte die letzten Monate im Krankenhaus. Nach einer Hüftoperation musste er sich einem Eingriff am Darm unterziehen, in der Folge kam es zu Problemen und insgesamt 24 Wochen Intensivstation in Heidelberg.
Seine Ansage in der Bild, er wolle sich mit Ungarns umstrittenen Premier Viktor Orban treffen, wurde am Montag in Berlin mit gemischten Gefühlen wahrgenommen. Als Kampfansage an Kanzlerin Angela Merkel und ihre Flüchtlingspolitik will man sein Interview offiziell nicht verstehen. Doch inoffiziell ist der "Ehrenbürger Europas" immer noch eine Autorität in der CDU.
Allerdings werden die Worte Kohls nicht nur ihm, sondern auch seiner Frau Maike zugeschrieben, die sich die Deutungshoheit über die Gedanken ihres Mannes gegen jeden und alle alten treuen Gefährten erkämpft hat. Kohls Söhne Walter und Peter dürfen den Vater nicht mehr sehen oder sprechen. Auch Kohls ehemals engste Weggefährten wie sein Fahrer oder seine langjährige persönliche Sekretärin Juliane Weber dürfen das Haus in Oggersheim nicht mehr betreten.
Der von Helmut Kohl zunächst auserwählte und dann nicht mehr anerkannte Biograf Heribert Schwan, der mit ihm 600 Stunden Gespräche geführt hatte, beschreibt Kohls zweite Frau als "geradezu deutschnational", sie habe auf "nachweislich falschen Aussagen" bestanden. Auch in der Süddeutschen kommt die junge Ehefrau schlecht weg. Sie versuche eine "Mauer um ihn zu bauen".
Einsame Entscheidung
Am Montag wurde auch ein Teil eines Bucheintrags zur Veröffentlichung freigegeben, der anlässlich der Verleihung des Aachener Karlspreises an Papst Franziskus Anfang Mai erscheinen wird. Darin schreiben Kohl oder seine Frau: "Einsame Entscheidungen, so begründet sie dem Einzelnen erscheinen mögen, und nationale Alleingänge müssen der Vergangenheit angehören. Sie sollten im Europa des 21. Jahrhunderts kein Mittel der Wahl mehr sein, zumal die Folgen von der europäischen Schicksalsgemeinschaft regelmäßig gemeinsam getragen werden müssen."