Chronik/Welt

Das Geschäft mit dem Weltuntergang

Der berühmte Scientologe Tom Cruise will den Freitag im türkischen Sirince verbringen. Dort gibt es angeblich eine so tolle Energie, die Menschen an einen anderen Bestimmungsort im Universum bringen kann. Die Begründung: Die Jungfrau Maria ist von hier in den Himmel aufgestiegen. Alle 400 Hotelbetten in dem 600-Seelen-Ort nahe Ephesos sind ausgebucht.

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Was für ein Geschäft lässt sich dagegen das französische Dörfchen Bugarach entgehen? Statt Zeltplätze um 450 € zu vermieten, wollen die Bewohner ihre Ruhe haben. Der 72-jährige George Tricoire erklärt, dass er auch noch nach dem Weltuntergang da sein werde und vorhabe, sich am 22. Dezember zu betrinken.

Am 21. Dezember endet eine Periode im Maya-Kalender, was viele Apologeten sehr aufgeregt macht. Das Gebiet um den magischen Berg Pic de Bugarach, von dem Außerirdische die Auserwählten abholen kommen sollen, insgesamt 45 Quadratkilometer, wurde vom Präfekten in der weltuntergangsnahen Zeit für fünf Tage gesperrt. 150 Polizisten kontrollieren die Zufahrtswege, zur Not soll Verstärkung angefordert werden. Die umliegenden Hotels sind dafür seit Monaten ausgebucht und eine Vier-Zimmer-Wohnung wurde in der regionalen La Depeche du Midi pro Tag um 1500 € zur Miete angeboten.

In Argentinien wurde der Zugang zum 1979 Meter hohen Berg Uritorco bei Cordoba gesperrt. Er gilt den Ureinwohnern als heilig. Die Begründung der Sperre, die Behörden befürchten einen Massenselbstmord, wird von den örtlichen Tourismusverbänden scharf kritisiert.

In China wurden amtlichen Berichten zufolge mehrere hundert Sektenmitglieder festgenommen, die auf Flugblättern den nahen Weltuntergang angekündigt hatten. In weiten Teilen Russlands herrscht schon seit Wochen Weltuntergangsstimmung. Politiker beschwören die Ängstlichen, dass sie sicher sind, dass die Welt weiter bestehen wird. Mehrere Hotlines wurden eingerichtet, die Angst vor Massenpsychosen geht um.

Im Internet haben Liebhaber von Katastrophenszenarien freie Wahl, ob die Erde am 21. Dezember zerrissen oder durch den Einschlag eines Asteroiden pulverisiert wird.

Die Mayas hätte nicht das Ende der Welt prognostizieren sollen, sondern das Ende der Vernunft. Die Mediengesellschaft, immer auf der Suche nach dem neuesten Trend, Hype oder Event, verwurstet die Apokalypse derzeit zum Zeitvertreib und Sendezeitfüller. Auf allen Kanälen das Geschnatter: Ufos, Naturkatastrophe, Prophezeiungen, Verschwörungstheorien, Finanzkrise. In Zeitungen sind Überlebenstipps nachzulesen. In der Werbung fordern grotesk verkleidete Darsteller zum Elektronikartikelerwerb auf.

Wenn schon Weltuntergang im Fernsehen, dann à la „kreuz & quer“: Die Diskussion, die am Dienstag im Rahmen des ORF-Religionsmagazins ausgestrahlt wurde, war klug und unaufgeregt. Falls die Menschheit diese mediale Monokultur überlebt, wird bestimmt die nächste folgen. Irgendwas richtig Lautes, Nerviges mit viel Gebimmel und Gedudel. Da ist doch ... da war doch ... ah ja, Weihnachten.