Chronik/Welt

Costa Concordia: Reederei belastet Kapitän

Die Reederei Costa Crociere, Betreiber des am 13. Jänner vor der Küste der Toskana verunglückten Kreuzfahrtschiffes "Costa Concordia", macht Kapitän Francesco Schettino, für das Unglück verantwortlich.

Der Kapitän habe ganz allein beschlossen, "die Verneigung" vor der Insel Giglio durchzuführen. Bei dem so bezeichneten Manöver "grüßt" das Schiff mit voller Beleuchtung und Sirenen die Küstenbewohner. "Die Passagiere waren informiert worden, dass das Schiff auf fünf Seelenmeilen Entfernung an der Insel vorbeifahren würde", berichtete der Costa-Geschäftsführer Pierluigi Foschi in einer Ansprache vor dem Senat am Mittwoch in Rom.

Der Manager bestritt somit Aussagen Schettinos, demnach die "Verneigung" von der Reederei genehmigt worden war. Das Manöver werde von Kreuzfahrtschiffen auf der ganzen Welt durchgeführt und sei eine Art von Werbung für die betroffene Gegend, hatte der Kapitän in Aussagen vor den ermittelnden toskanischen Staatsanwälten berichtet.

"Mein Mann ist kein Monster"

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Indes hat sich die Frau des Kapitäns in der Wochenzeitung Oggi und in Paris Match zu Wort gemeldet. „Ich kann mich an keine Luftfahrt- oder Schiffskatastrophe erinnern, bei der der Verantwortliche mit solch einer Wucht angegriffen worden wäre“, sagt Fabiola Russo. „Das ist eine Hetzjagd. Man sucht einen Schuldigen, einen Sündenbock. Aber mein Mann ist kein Monster.“

Das berichtet übrigens auch der Wiener Kreuzfahrer Günther Holzinger, der mit Schettino als Kapitän im November 2008 eine dreiwöchige Seereise von Savona über den Atlantik und durch die Karibik unternommen hat. Auf der „Costa Atlantica“ hätte er sich sehr sicher gefühlt. Für Holzinger, der auch ein Segler ist, wirkte der Unglückskapitän kompetent. Andere KURIER-Leser finden es bemerkenswert, dass sich der Kapitän nach dem Unglück gegen 2.30 Früh beim 73-jährigen Schiffspfarrer ausgeweint hat. „Er lag während einer Viertelstunde in meinem Arm und weinte wie ein Kind“, sagt der Geistliche Raffaele Malena, der glaubt, dass sein Commandante einen Nervenzusammenbruch erlitten hat.

Fabiola Russo sieht ihren Mann als entschlossen, standhaft und klug. „Er versteht sein Handwerk, aber auch jemand, der sein Handwerk versteht, kann sich irren, vorausgesetzt, er hat sich geirrt.“ Den Eindruck, ihr Mann sei ein Draufgänger, erklärt die Ehefrau so: „Er wirkt manchmal draufgängerisch, weil er eine Stufe über seinem Gesprächspartner steht, den er oft zum Schweigen bringt.“ Frau Russo kam zum Interview in Begleitung ihres Schwagers Salvatore Schettino und ihres Bruders Francesco Russo. Sie wirkte stark und selbstbewusst. „Ich bin die Frau eines Seemannes und bin es gewohnt, alleine zu sein. Ich stelle mich schwierigen Situationen und löse sie.“ Schmerzhaft sei für sie, dass keiner gegenüber der gemeinsamen 17-jährigen Tochter Skrupel gehabt hätte: „Niemand hat an sie gedacht, bevor er sein Urteil fällte.“ Man müsse sich vorstellen, wie es der Tochter ginge. „Im Teenageralter hat man auch unter normalen Umständen schon tausend Probleme. Man kann nicht von ihr die Kraft erwarten, das alles auszuhalten“, sagte Russo.

Chemikalien im Wasser

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Italiens Zivilschutzchef Franco Gabrielli bemängelte, dass Costa Crociere noch keinen Plan zur Sammlung und Entsorgung des Unrats aus dem Schiff vorgelegt habe. Aus Wasseranalysen war am Mittwoch hervorgegangen, dass im Meer rund um die " Costa Concordia" die Konzentration von Chemikalien klar über den Grenzwerten liegt. Bisher war das Meer im Herzen des toskanischen Archipels wegen seiner hohen Wasserqualität bekannt.

Die niederländischen Experten hoffen, dass sie schon am Samstag mit dem Auspumpen des Schweröls beginnen können. Mindestens 30 Tage wird diese hochriskante Aktion dauern.

 

Abpumpen am Samstag

Inzwischen ist die Suche nach den Vermissten im Wrack am Mittwoch fortgesetzt worden. Bisher wurden 16 Todesopfer gemeldet, 22 Menschen werden nach wie vor vermisst, teilte der Zivilschutz mit. Zum Zeitpunkt des Unglücks waren mehr als 4000 Menschen an Bord, darunter 77 Österreicher.

 

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