Chronik/Welt

Autonomes Fahren: Wenn die Moral mit an Bord ist

"Hallo!" Alexander Dobrindt winkt mit beiden Händen, daneben fährt die Polizei vorbei. Hände in der Höhe, Grinsen im Gesicht: Was macht der deutsche Verkehrsminister da auf der Autobahn?

Die Antwort ist einfach: Der CSU-Mann bewirbt seine 100-Millionen-Euro-Kampagne für selbstfahrende Autos. Doch was spaßig aussieht, wirft auch ernste Fragen auf: Seit einiger Zeit werden auf gewissen deutschen Autobahnen autonome Autos getestet – doch was, wenn die Autos in Unfälle verwickelt werden oder sie gar verursachen? In den USA etwa verlor vergangenes Jahr ein Mann sein Leben, weil sein per Assistent gesteuerter Tesla unter einen Lastwagen-Anhänger raste; das Auto verwechselte die Ladefläche mit einem Autobahnschild.

Die Schuldfrage in diesem Fall liegt laut jüngsten Untersuchungen beim Fahrer – er habe Warnhinweise ignoriert, heißt es. In Deutschland ist die Lage ähnlich. Laut Gesetz, das jetzt in Kraft tritt, haftet zwar der Autobetreiber generell, aber der Fahrer muss stets die Kontrolle übernehmen können. Ein Auge aufs Smartphone ist problemlos möglich, schlafen aber nicht.

Moralisches Dilemma

Ethische Grundsätze für die Algorithmen, die das Auto steuern, sucht man im Gesetz aber vergebens. Darum hat eine Ethikkommission nun 20 Leitlinien erarbeitet, die in Novellen einfließen sollen: Demnach soll bei unvermeidlichen Unfällen eher eine Laterne oder ein Reh umgefahren werden als ein Mensch; lässt sich eine Kollision nicht vermeiden, dürfen Opfer nicht nach Alter, Geschlecht und anderen Merkmalen unterschieden werden, dies sei ethisch nicht zweifelsfrei programmierbar. "Die alte Frau mit dem Rollator oder die Kindergruppe: Wen muss man jetzt bevorzugt niederfahren? Ein solches Szenario ist ausgeschlossen", sagt Kommssionsleiter Udo di Fabio. Was heißt: In einem solchen Szenario muss wohl weiter der Mensch entschieden – und wird auch haften.

Ein Dilemma, klar. Doch geht es nach Di Fabio, ist diese Vorstellung um einiges besser als die Situation jetzt: "Ich bin überzeugt davon, dass wir in 20 Jahren keine 3000 Tote im Straßenverkehr mehr haben werden", sagt Di Fabio.