Chronik/Welt

Ausschreitungen in Berlin: 123 Polizisten verletzt

Bei der laut Berliner Polizei "aggressivsten und gewalttätigsten Demonstration der zurückliegenden Jahre" sind am Samstagabend 123 Polizisten verletzt worden. Die Kundgebung von extremistischen Demonstranten war in der Nacht zum Sonntag im Berliner Bezirk Friedrichshain eskaliert: Nach einem scheinbar friedlichen Beginn heizte sich die Stimmung schnell auf, Linksautonome warfen Steine, Flaschen und Böller auf Polizisten, einige Beamte wurden verletzt. Die Berliner Polizei und deren Kollegen aus sechs Bundesländern versprühten Reizgas und nahmen am Samstagabend 86 Randalierer meist kurzzeitig fest.

Nach ihren Angaben wurden bei den Protesten gegen die Teilräumung eines besetzen Hauses am späten Samstagabend im Stadtteil Friedrichshain 123 Polizisten verletzt und 86 Demonstranten meist vorübergehend festgenommen. Gegen drei Teilnehmer werde wegen schweren Landfriedensbruchs ermittelt. Auch mehrere Demonstranten erlitten Verletzungen.

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Innensenator Frank Henkel (CDU) sprach von einer "linken Gewaltorgie", bei der das Versammlungsrecht von "vielen Chaoten und Gewalttätern missbraucht" worden sei. Der Protest richtete sich gegen die seit längerem andauernde Polizeipräsenz rund um von Autonomen bewohnte Häuser in der Rigaer Straße.

Die Polizei leitete mehr als 100 Strafverfahren ein, unter anderem wegen Körperverletzung, Gefangenenbefreiung und Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz. Die Beamten seien mit Flaschen, Steinen und Knallkörpern beworfen worden. Einige hätten Tritte und Schläge abbekommen. Die Polizei setzte Pfefferspray ein.

3500 Demonstranten

An den Protesten beteiligten sich laut Polizei zunächst rund 1500 Menschen, am Ende sei der Demonstrationszug auf rund 3500 Teilnehmer angeschwollen. Rund 1800 Beamte auch aus anderen Bundesländern waren im Einsatz. Vorab hatte es Gewaltaufrufe gegeben. Zum Teil liefen auch schwarz vermummte Teilnehmer im Demonstrationszug mit.

Nicht nur in Friedrichshain, auch in Mitte und Prenzlauer Berg brannten nach Ende der Demonstration Autos und andere Fahrzeuge. In der Nacht gab es weitere Angriffe auf Polizisten.

"Stärke gegenüber den Staatsfeinden zeigen"

Innensenator Henkel erklärte, man solle sich von den "Fantasien" verabschieden, mit den Demonstranten verhandeln zu können. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) sowie Grüne, Linke und Piraten hatten den Innensenator zuvor aufgefordert, Gespräche mit dem gewaltfernen Teil der Szene und Nachbarn in der Rigaer Straße zu führen. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer rief die Politik in Berlin auf, Stärke gegenüber den "Staatsfeinden" zu zeigen. "Die Brandstifter und Autoabfackler zu Gesprächskreisen einzuladen, ist eine politische Bankrotterklärung", sagte er und warnte: "Berlin darf nicht im linken Gewaltchaos versinken."

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Drohungen gegen Polizei

Von Seiten der Autonomen wurden jetzt laut Spiegel Verhandlungsvorschläge aufgegriffen - und zugleich Bedingungen gestellt: "Ein Abzug von Bullen und Sicherheitsfirmen aus der Rigaer 94 und die Rückgabe der Räume an die Hausgemeinschaft" würde zur Einstellung aller Aktivitäten und Angriffe führen, hieß es auf der Internetseite Linksunten Indymedia. Und weiter: "Die Wähler/innen von Frank Henkel können ohne Sorge um ihre teuren Autos schlafen, wenn seine Einheiten aus der Rigaer 94 verschwinden."

Gleichzeitig schließen die Linksextremisten eine Eskalation nicht aus. Bisher plane man alle Angriffe so, dass weder Polizisten noch Neonazis zu Tode kommen würden, schreiben sie im Internet. Man sehe aber die Gefahr, dass Demonstranten oder Unbeteiligte "durch die anhaltende Gewaltwelle von Bullen und Sicherheitsleuten ernsthaft verletzt werden oder schlimmeres". Dann folgt eine kaum verhohlene Drohung: "Dann würden auch wir unser Verhältnis zur Gewalt überdenken müssen."

Anfang August steht ein weiterer großer Polizeieinsatz wegen einer Räumung in Berlin an. Aufrufe zum Widerstand kursieren bereits.