Chronik/Welt

Ein "netter Junge" wird zum Massenmörder

Hinter dem grauenhaften Massaker in einer Grundschule mit 27 Toten im US-Bundesstaat Connecticut soll der 20-jährige Adam Lanza stecken. Was bisher über die Identität des Schützen, der sich nach der Tat selbst umbrachte, bekannt ist.

Alter

Adam Lanza war zu seinem Tod 20 Jahre alt. Laut ABC hat er sich das Leben genommen, nachdem er zuerst seine Mutter und danach in der "Sandy Hook"-Schule 20 Kinder und sechs Erwachsene getötet hatte.

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Familie

Lanza wuchs in behüteten Familienverhältnissen in New Hampshire auf. Sein Vater arbeitete als Manager beim Elektritätskonzern General Electric, seine Mutter als Kindergärtnerin und Aushilfslehrerin in der "Sandy Hook"-Schule - dem Ort, wo ihr Sohn am Freitag ein Blutbad anrichtete. Später zogen seine Eltern mit den Kindern in eine zweistöckige Kolonial-Villa nach Newtown in Connecticut. 2009, als Adam 17 war, ließ sich das Paar jedoch scheiden, der junge Mann blieb allein bei der Mutter. Sein Vater heiratete 2011 eine neue Frau und zog nach Stamford, einem Industriezentrum in Connecticut.

Persönlichkeit

Sein vier Jahre älterer Bruder Ryan, der in einigen Medien fälschlicherweise als Täter genannt wurde, soll Adam Lanza gegenüber der Polizei als "ein wenig autistisch" bezeichnet haben. Möglicherweise litt er am sogenannten Asperger-Syndrom, einer milden Form des Autismus. Auch eine Persönlichkeitsstörung wird vermutet. Laut der Österreichischen Autismushilfe steht der Begriff Autismus für eine "tiefgreifende Entwicklungsstörung, die von Geburt an vorliegt und in den ersten Lebensjahren auftritt. Sie äußert sich hauptsächlich durch eine Beeinträchtigung der Beziehungs- und Kommunikationsfähigkeit". Autisten sind häufig zu erstaunlichen intellektuellen Leistungen in Teilbereichen wie Mathematik oder Naturwissenschaften fähig.

Klassenkollegen beschreiben ihn als sehr guten, aber sehr stillen Schüler, der über das ganze Schuljahr kaum geredet und den Kontakt mit anderen eher gescheut habe. "Wahrscheinlich war er ein Genie", erzählte ein ehemaliger Mitschüler an der High School einem CNN-Reporter. Andere beschreiben ihn als "netten Jungen, immer höflich".

Für den österreichischen Gerichtspsychiater Reinhard Haller hat Adam Lanza das "klassische Profil eines School-Shooters": Minderwertigkeitskomplexe, Hass auf die verständnislose Umwelt, Frust und Wut – und das alles hinter einer ruhigen, verschlossenen, unauffälligen Fassade. "Man muss natürlich dazusagen, dass dieses Profil auf abertausende junge Menschen zutrifft. Entscheidend ist halt immer die Griffnähe zur Waffe“, so Haller gegenüber der APA. „Ich bin schon gespannt, wie Obama reagiert.“ Eines steht für den Psychiater fest: Die USA brauchen schärfere Waffengesetze.

Augenzeugenberichte auf CNN

    

Bilder von Adam Lanza gibt es nicht viele, auch im Jahrbuch seiner High School wollte er sich nicht ablichten lassen. Bislang kursiert nur ein sechs Jahre altes Bild des Schützen, das der Sender ABC verbreitet hat. Es zeigt einen blassen, schlanken jungen Mann, der seltsam grinst, aber nicht direkt in die Kamera blickt.

Laut AP soll Lanza eine Freundin gehabt haben, von ihr fehlt bislang aber jede Spur.

Adam Lanza ist bisher nie kriminell auffällig geworden. Seit der Scheidung seiner Eltern soll Lanza jedoch öfter Zornesausbrüche gehabt haben. Seine Mutter sei deswegen sehr besorgt gewesen. Mit seinem Vater habe er in den letzten Jahren keinen Kontakt mehr gehabt.

Motiv

Darüber gibt es noch keine gesicherten Informationen, die Behörden halten sich bislang bedeckt. Gerichtspsychiater Haller vermutet, dass sich der junge Mann von seiner Mutter nicht genügend geliebt gefühlt hat. "Das heißt überhaupt nicht, dass die Mutter ihm diese Liebe nicht gegeben hat, aber hat es offenbar als zu wenig empfunden. Und dann geht sie in diese Schule und gibt ihren Kindern das, was er nicht bekommt. Die Kinder haben ihm quasi die Mutter weggenommen."

Tathergang

Die Polizei hält sich dazu noch bedeckt, einiges scheint jedoch gesichert: Laut Zeugenberichten betrat Adam Lanza das Schulgebäude in dunkler Kleidung. Er war mit einem halbautomatischen Sturmgewehr vom Typ Bushmaster und zwei Pistolen der Marken Glock und Sig-Sauer bewaffnet. Alle drei Waffen wurden legal erworben und waren auf den Namen der Mutter registriert. Während der Tat soll Lanza kein Wort gesprochen haben. Er feuerte in der Schule an die 100 Schüsse ab - mehr als die österreichische Polizei im ganzen Jahr 2011 verschossen hat.

Mehr Informationen zum Tathergang und zu den Reaktionen auf die Tat in Newtown lesen Sie hier.

Weiterführende Links

Spiegel Online

New York Times

CNN

ABC News

Und wieder setzt namenloses Grauen das immer gleiche Karussell aus Zorn und Halsstarrigkeit in Bewegung. Wieder rufen der Präsident, liberale Politiker und Psychologen nach einer Änderung der US-Waffengesetze, fordern eine Entwaffnung der US-Gesellschaft – und wieder wird das andere Amerika seine in Stein gemeißelte Antwort geben. Das Recht, Waffen zu tragen, sei in der US-Verfassung verankert, nur mit dem Gewehr könne ein aufrechter Bürger seine Freiheit verteidigen. Es ist nur eines dieser archaischen Rituale, die tief in der US-Gesellschaft verankert sind – und sich immer tiefer eingraben, je kaputter diese Gesellschaft wird. Wie sonst könnten rechte Politiker behaupten, es sei persönliche Freiheit, keine Krankenversicherung zu haben.

Der amerikanische Traum vom Weg nach oben, der jedem offen steht, den kann eine in Armut feststeckende Unterschicht nicht einmal mehr träumen. Das amerikanische Idyll der small town mit ihrem unverwüstlichen Gemeinschaftssinn ist in gesichtslosen Vorstädten untergegangen. Der Optimismus, die größte Stärke der Amerikaner, ist bei vielen verzweifelter Wut gewichen. Es ist eine Wut über die eigene Hilflosigkeit, das zu tun, was der Inbegriff des „american way of life“ war: Sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Selbst in die Hand nehmen können diese Verzweifelten nur noch eines: ihre Gewehre. Und deshalb werden sie sich daran festklammern, auch wenn es oft ihre eigenen Kinder sind, die diese Waffen töten.