Niederlande ziehen Notbremse: Tempo 100 auf allen Autobahnen
"Ja, das ist eine beschissene Maßnahme", sagte Premier Mark Rutte: Die Nierdelande haben jetzt Tempo 100 auf den Autobahnen eingeführt. Nötig sei das, weil der Ausstoß von Stickoxiden seit Langem zu hoch sei: „Niemand findet das schön, aber es geht hier echt um höhere Interessen“
Nach Norwegen und Zypern sind die Niederlande das nächste europäische Land, das Tempo 100 als Höchstgeschwindigkeit vorschreibt. Das kommt einer 180-Grad-Wende gleich: Ruttes rechtsliberale Partei VVD hatte vor einigen Jahren noch maßgeblich dafür gesorgt, dass vielerorts das niederländische Autobahn-Tempolimit von 120 auf 130 erhöht wurde. In der Bevölkerung kommt das neue Limit ganz gut an: Der niederländische Verkehrsclub ANBW hat in einer Umfrage ermittelt, dass 51 Prozent die Maßnahme zum Schutz der Natur als positiv wahrnehmen - im Vergleich zu 34 Prozent, die Tempo 100 ablehnten.
Stopp für Bauvorhaben
Grund für die Tempo-Kehrtwende sind anhaltend hohe Emissionen von Stickoxiden, die gemessen an der Fläche des Landes EU-Grenzwerte erheblich übersteigen. Das Limit ist dabei nicht die einzige Maßnahme: Das höchste Gericht und Beratungsgremium der Regierung der Niederlande, der Raad van State, hatte angesichts dessen im Mai große Bauvorhaben gestoppt und die Regierung vor die Wahl gestellt, wirksamere Maßnahmen zur Stickoxidreduzierung zu ergreifen oder diese Projekte zu streichen - darunter Tausende von Wohnungen, aber auch Infrastrukturbauten wie die Erweiterung von Autobahnen. Auch beim Bauen wird, etwa durch den Erdaushub, Stickstoff freigesetzt.
Rutte verwies darauf, dass die Einhaltung der Stickoxid-Grenzwerte für die Niederlande besonders schwierig sei. „Das ist eine Krise für unser Land und für die Regierung von bislang nicht gekanntem Ausmaß“, sagte er vor Reportern. Zu den Ursachen gehört Experten zufolge, dass die Niederlande nach der Inselrepublik Malta der am dichtesten besiedelte Staat in der EU ist und nur über wenig natürliche Ausgleichsflächen oder größere Naturschutzgebiete verfügt, in denen Stickoxid abgebaut wird.
Der „Stickstoffplan“ der Regierung sieht neben Tempo 100 eine Reihe weiterer Maßnahmen vor. Unter anderem soll in der Rinderhaltung mehr enzymreiches Futter verwendet werden, wodurch Kühe weniger Ammoniak abgeben sollen. Umweltorganisationen wie Greenpeace hatten auch eine Reduzierung des Nutztierbestandes gefordert, was zu Protestaktionen von Bauern führte.