Chronik/Welt

In Dhaka fliegen die Fetzen

In Bangladesch ist die Polizei am Mittwoch mit Wasserwerfern, Tränengas und Schlagstöcken gegen Tausende protestierende Textilarbeiter vorgegangen. Diese wiederum attackierten die Sicherheitskräfte: „Die Polizei versuchte zunächst, sie durch Gespräche zu überzeugen, und forderte sie auf, die Straßen zu verlassen, damit der Verkehr problemlos weitergehen kann, aber sie warfen Steine und Ziegelsteine“, sagte der Polizeibeamte Tahmidul Islam gegenüber Reuters.

Mindestens zehn Fabriken blieben geschlossen. Die Beschäftigten demonstrierten den vierten Tag in Folge und blockierten Straßen, um ihrer Forderung nach mehr Lohn Ausdruck zu verleihen. 166,8 Euro verlangen die Textilarbeiter pro Monat.

Mehr als zwei Dutzend Menschen seien bei Auseinandersetzungen verletzt worden, teilten Polizei und Gewerkschaften mit. Die Proteste fanden vor allem im Industriegebiet Savar nördlich der Hauptstadt Dhaka statt. Dort waren im April 2013 beim Einsturz des Textilfabrikgebäudes Rana Plaza mehr als 1100 Menschen ums Leben gekommen. Immer wieder stehen die Hersteller wegen schlechter Arbeits- und Gesundheitsbedingungen in ihren Werken in der Kritik.

Im September hatte die Regierung angekündigt, den Mindestlohn 2019 um bis zu 51 Prozent auf 83 Euro im Monat zu erhöhen. Es ist die erste Erhöhung des Mindestlohns seit 2013. Doch Gewerkschaften kritisieren, dass nur ein geringer Teil der mehr als 3,5 Millionen Beschäftigten davon profitiere. Die Regierung zeigte sich am Dienstag bereit, die Forderungen zu prüfen. Gleichwohl gingen die Menschen am Tag darauf erneut auf die Straße.

Bangladesch ist nach China der zweitgrößte Textilexporteur der Welt. Waren von rund 26 Milliarden Euro werden jedes Jahr ausgeführt. Die Textilbranche ist eine der wichtigsten im Land und fertigt Kleidung für etliche der größten und bekanntesten Marken weltweit.

Erst im Dezember hatten in Bangladesch Wahlen stattgefunden, in denen sich die Premierministerin Hasina Wajed durchsetzen konnte. Auch wenn unter ihr die Wirtschaft ins Rollen gekommen war – seit 2009 hat sich das jährliche Pro-Kopf-Einkommen auf 1526 Euro verdreifacht – steht sie mittlerweile stark unter Druck.