Chronik

Schwerkranke Kinder oft ohne Eltern

Emanuel ist ein aufgeweckter Junge. Er holt Gläser aus der Küche und deckt den Tisch damit, prostet dann seinen Tischpartnern zu. Er lacht viel und herzlich. So unbeschwert wie er heute ist, war er nicht immer. Im Dezember vor zwei Jahren erkrankte er plötzlich an einer akuten Entzündung des Kleinhirns. Nach etlichen bangen Tagen im Krankenhaus mit vielen Operationen und Stunden auf der Intensivstation, fiel der kleine Bub in ein Wachkoma. "Ich habe damals sogar vergessen, wie man betet. Ich musste im Internet ein Gebet suchen", erzählt seine Mama Dorota Dariusz. Ihr kommen heute noch die Tränen, wenn sie das erzählt.

Die Ärzte sahen bei Emanuel dennoch ein großes Rehabilitationspotenzial, weshalb er nach zwei Monaten intensiver Therapie im AKH Wien zur Reha nach Salzburg verlegt wurde. Neun Monate verbrachte er dort. "Wir sind eine große Familie; wir haben fünf Kinder", sagt seine Mama. Die Familie wohnt in Brunn am Gebirge in Niederösterreich – weit entfernt von Salzburg. "Eine Pension für so eine lange Zeit ist unleistbar für uns", sagt Dariusz.

Großer Bedarf

Von öffentlicher Seite gibt es auf diesem Gebiet kein Angebot, keine Unterkünfte für Angehörige von schwer kranken Kindern. Private Initiativen müssen einspringen – so zum Beispiel auch die Ronald McDonald Kinderhilfe Häuser. Im Moment gibt es vier davon: In Wien, Graz, Innsbruck und Salzburg. Die Familie Dariusz ist in letzterem untergekommen. Seit der Gründung vor 30 Jahren haben 14.500 Familien in den Häusern übernachtet, jährlich werden etwa 900 Familien beherbergt. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer einer Familie beträgt zwölf Tage. Oft bleiben die Familien aber auch über Monate, manchmal auch ein Jahr in den Häusern. Insgesamt gibt es 35 Appartements in den vier Häusern. "Der Bedarf stieg in den letzten zwei Jahren immer weiter an", sagt die Geschäftsführerin Sonja Klima (siehe Interview). Wie groß der Bedarf genau ist, kann nicht gesagt werden. 2015 (so die aktuellsten Zahlen laut Gesundheitsministerium) wurden alleine in Wien in öffentlichen Krankenhäusern über 7000 krebskranke Kinder behandelt.

In der Kinder-Gesundheitsstrategie 2011 wurde festgeschrieben, dass ein Ausbau der Infrastruktur für Begleitpersonen erfolgen soll. Im Bericht von 2016 steht, dass dieser Punkt "teilweise erfüllt" sei. Im Gesundheitsministerium wird auf die Ronald McDonald Kinderhäuser verwiesen, von denen aktuell drei neu gebaut werden. Die Initiative wird aber durch Spenden finanziert, ohne Gelder des Ministeriums.

Schnellere Heilung

"Es besteht dringender Handlungsbedarf von öffentlicher Hand, Möglichkeiten zu schaffen, wo Familien wohnen können", sagt Michaela Altendorfer, Präsidentin der Herzkinder Teddyhäuser, die 16 Wohneinheiten in Linz und acht in Wien für Angehörige herzkranker Kinder bereitstellen. Es gäbe zwar Mutter-Kind-Zimmer, aber auch die nicht in allen Krankenhäusern. "Manche Väter schlafen auf Luftmatratzen in ihren Autos, weil sie sich kein Hotel leisten können, aber trotzdem in der Nähe ihres Kindes sein wollen", erzählt sie weiter.

"Für die Kinder ist die Nähe ihrer Familie extrem wichtig, denn sie kann den Heilungsprozess um bis zu ein Drittel beschleunigen", sagt Klima. Die Erfahrung hat auch Dorota Dariusz gemacht. Emanuel ist inzwischen acht Jahre alt, hat gerade die Erstkommunion gefeiert und besucht die erste Klasse. Er kann schon lesen und schreiben – aber vor allem kann er lachen.

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KURIER:Wie sieht die aktuelle Situation bei Unterkünften für Angehörige schwerkranker Kinder aus?

Sonja Klima: Der Bedarf an Apartments steigt Jahr für Jahr. Unser Sozialsystem in Österreich ist sehr gut, trotzdem sind Verbesserungen notwendig. Wir schaffen es nicht alleine, die Lücke im Sozialsystem zu schließen. Derzeit gibt es vier Ronald McDonald Häuser, drei weitere werden gebaut. Der Bedarf ist aber noch größer. Unsere Häuser sollen ermöglichen, dass sozial schwache Familien in unmittelbarer Nähe bei ihren schwer kranken Kindern bleiben können.

Warum ist eine Unterkunft für die Familie wichtig?

Ein mehrmonatiger Aufenthalt in Hotels ist für viele schlichtweg nicht leistbar. Manche Angehörige sitzen 24 Stunden in der Klinik und brauchen einen Ort, an dem sie schlafen und duschen können – und gemeinsam mit der ganzen Familie sein können. Ein schwer krankes Kind ist eine Herausforderung für die ganze Familie. Viele Paare trennen sich wegen der Belastung oder langen Trennung voneinander.

Wie sind die Häuser konzipiert?

Die Häuser werden so gebaut, dass es gemeinsame Zimmer gibt, meistens Spielplätze und Begegnungsräume, sowie die Einzelzimmer, wo man dann einen Rückzugsort hat. Die meisten wollen aber miteinander sein. Es hilft den Betroffenen, wenn sie miteinander reden. Oft braucht es dann gar keinen Psychiater, wenn sich Menschen mit ähnlichen Problemen austauschen können.

Was ist das nächste Ziel der Kinderhilfe-Häuser?

Für die Zukunft wünsche ich mir, dass immer mehr Kinder bei uns statt in der Klinik schlafen können. Derzeit sind es etwa 40 Prozent der Kinder. Es spielt eine psychologische Rolle für die Kinder, ob sie in der Klinik oder bei ihrer Familie, in einer Wohnung übernachten. Es hilft Kindern schon sehr, wenn die Familie in der Nähe ist – noch besser ist es aber natürlich, wenn sie auch beieinander schlafen können.