Chronik/Österreich

Polizei und Justiz "auf rassistischem Auge blind"

Seit fast 15 Jahren engagiert sich der Verein ZARA mit Anti-Rassismus-Arbeit in Österreich - eine wirkliche Besserung hat sich jedoch bis dato noch nicht eingestellt. Im vergangenen Jahr fielen ZARA vor allem Äußerungen und Handlungen von Polizei und Justiz negativ auf. Polizisten hätten sich im Einsatz respektlos gegenüber Menschen mit dunkler Hautfarbe verhalten, etwa mit Sprüchen wie "Go home, N...". Auch die Justiz würde rassistische Vorfälle teilweise nicht ernst nehmen, so Geschäftsführerin Claudia Schäfer. Insgesamt wurden 731 rassistische Vorfälle dokumentiert.

"Polizei und Justiz auf rassistischem Auge blind", betitelte ZARA den Rassismus-Report für das Jahr 2013, der bei einer Pressekonferenz am Freitag, dem internationalen Tag gegen Rassismus, präsentiert wurde. Schäfer kritisierte "unverständlich milde Urteile bzw. Freisprüche" und verwies etwa auf den Fall einer Afrikanerin, die im Jänner 2013 nach einem Streit auf die U-Bahn-Gleise gestoßen wurde.

Besonders bedenklich sei auch folgender Fall: Ein Polizist hatte für den Seniorenkalender des Oberösterreichischen Seniorenbundes in einem Text vor dem sogenannten "Enkel-Neffen-Trick" und insbesondere vor der "Täterinnengruppe" de Roma und Sinti gewarnt. Folgen hatte das keine - eine Verfahren der Staatsanwaltschaft Linz wegen Verhetzung wurde eingestellt.

Kinder häufig betroffen

Die Beratungsstelle für Opfer und ZeugInnen von Rassismus dokumentiert Fälle, die an sie gemeldet werden. Insgesamt wurden von ZARA im Jahr 2013 731 Fälle verzeichnet, das sind um 41 weniger als im Jahr davor. Der größte Teil (20 Prozent) davon geschah im Internet, 19 Prozent entfielen auf den Bereich "Öffentlicher Raum" und ebenfalls 19 Prozent auf den Bereich "Güter und Dienstleistungen". Dazu zählen etwa Vorfälle im Wohnbereich oder Vorkommnisse beim Zugang zu Lokalen.

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Auch Benachteiligungen und rassistische Beschimpfungen am Arbeitsplatz wurden der Stelle gemeldet. Dina Malandi von der Beratungsstelle berichtete von einem Abteilungsleiter, der seine Mitarbeiter in zwei Gruppe eingeteilt habe. Den Mitarbeitern nicht-österreichischer Herkunft teilte er schwere körperliche Arbeit zu, während Kollegen österreichischer Herkunft nur noch leichte Tätigkeiten aufgetragen bekamen.

"Besonders schlimm aufgefallen" sei außerdem, dass häufig Kinder und Jugendliche betroffen seien. In einer Schule seien Jugendliche in antisemitischen Ketten-SMS dazu aufgerufen worden, andere zu "hitlern".

Internet als rechtliche Grauzone

Ein großes Problem, das immer mehr zunehme, seien Rassismus und Verhetzung im Internet, sagte Lilian Levai von ZARA. Da es "rechtlich sehr schwierig ist", gegen diskriminierende Inhalte im Internet vorzugehen, forderte sie, dass rechtliche Bestimmungen entsprechend angepasst werden.

"An der Problematik, dass auch in Polizei und Justiz Rassismus noch weit verbreitet ist bzw. nicht genügend reflektiert und ernst genommen wird, hat sich seit ZARA vor nunmehr 15 Jahren mit Anti-Rassismus-Arbeit begonnen hat, offenbar nichts Grundlegendes geändert", stellte Schäfer fest. Nach wie vor komme es "zu viel zu vielen Vorfällen polizeilichen Fehlverhaltens", auch in der Justiz werde nicht immer vorurteilsfrei vorgegangen, kritisierte Maladi. Häufig gemeldet wurde der Stelle etwa ethnic profiling, also wenn Personen allein aufgrund ihrer Hautfarbe verdächtigt und kontrolliert werden.

Aktionsplan

Von der Politik fordert die Beratungsstelle, die im Herbst 15 Jahre alt wird, daher unter anderem einen Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus, verstärkt Sensibilisierungstrainings und Schulungen für Polizisten sowie eine unabhängige Stelle zur Überprüfung rassistisch motivierter Übergriffe von Polizisten.

Die Sozialdemokratische Lesben-, Schwulen-, Bisexuellen-, Transgender-und Intersexuellen-Organisation (SoHo) sprach sich in einer Aussendung am Freitag in Reaktion auf den Report für eine österreichweite Kampagne gegen "Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Homophobie/Transphobie und Sexismus in Österreich und Europa" aus.

Innenministerium weist Vorwürfe zurück

Das Innenministerium wehrt sich gegen Vorwürfe, die Polizei würde zu wenig gegen Rassismus unternehmen. Ein großer Teil der Polizeiausbildung sei dem Thema Anti-Rassismus gewidmet, Schulungen zum Thema seien verpflichtend, betonte der Sprecher des Innenministeriums Karl-Heinz Grundböck.

Gemeinsam mit der europäischen Grundrechteagentur sei ein Trainingshandbuch zum Thema Rassismus erarbeitet worden. Auch die Tatsache, dass immer mehr Polizisten mit Migrationshintergrund speziell bei der Wiener Polizei arbeiten würden, werde dazu betragen, dass Rassismus in den eigenen Reihen abnimmt. Die Polizei soll auch "die Gesellschaft abbilden, für die sie arbeitet", so Grundböck. Er betonte, dass es wichtig sei, an die Beschwerdemöglichkeit zu denken: "Jeder Polizist ist verpflichtet, eine Karte mit der Dienstnummer auszuhändigen." Jeder einzelne Fall werde geprüft.

SPÖ-Integrationssprecherin Nurten Yilmaz meinte in einer Reaktion auf den am Freitag veröffentlichten Rassismus-Report: "Die von ZARA dokumentierten 731 rassistischen Vorfälle im Vorjahr zeigen, dass hierzulande noch vieles im Argen liegt." Rassistischen Äußerungen und Praktiken müsse "auf allen Ebenen entschieden begegnet werden - egal ob am Arbeitsplatz, in der Politik oder am Fußballplatz", so Yilmaz in einer Aussendung.

"Es ist höchste Eisenbahn, massiv gegen Rassismus und Diskriminierung vorzugehen", betonte auch Alev Korun, Menschenrechtssprecherin der Grünen. In Bezug auf Diskriminierung "in Institutionen wie Polizei und Justiz" forderte sie "eine Erhebung aussagekräftiger Daten".

Der freiheitliche Bereichssprecher für den Öffentlichen Dienst und AUF-Bundesvorsitzender Werner Herbert bezeichnete den Report dagegen als "völlig unerheblich". "Hier sind lediglich subjektive Empfindlichkeiten diversester Personen dokumentiert, die wohl eher am linken Rand der Gesellschaft stehen", sagte Herbert in einer Aussendung. "Dass täglich Österreicher diskriminiert, überfallen, beraubt, verletzt oder bestohlen werden, interessiert die selbsternannte Anti-Rassismus-Stelle freilich gar nicht", so Herbert.

Verein ZARA

Acht Wege, ein weltoffener Mensch zu werden