Studenten als Lehrer: Vom Hörsaal ins Klassenzimmer
Von Stephan Andrejs
Dass gleich nach dem Studium das Berufsleben beginnt, ist nicht ungewöhnlich. Dass man ohne Betreuung vor 25 hochpubertären Schülern steht, um diesen physikalische Formeln näher zu bringen, hingegen schon. Für Tim Höpfel war das im vergangenen Schuljahr Realität. Aufgrund seines Physikstudiums fand er sofort eine Anstellung an einem Gymnasium im elften Bezirk.
Der 27-Jährige erhielt einen Sondervertrag, der im zwar ein normales Einstiegsgehalt sicherte, aber dafür nur eine befristete Anstellung. Zudem musste Höpfel während des ersten Unterrichtsjahres auf die Unterstützung einer erfahreneren Lehrkraft verzichten, die Junglehrern normalerweise zusteht. „Die Klassen in die gewünschte Richtung zu lenken, war am Anfang eine große Herausforderung, besonders da man mit einer gewissen Naivität in den Beruf startet, die von manchen Schülern ausgenutzt wird.“
Berufspraktikum
Der Physiklehrer konnte sich in solchen Situationen auf die Unterstützung seiner Kollegen verlassen, er habe aber auch von ehemaligen Mitstudenten gehört, für die sich niemand Zeit nahm. „Ich bin freiwillig ins kalte Wasser gesprungen, aber ich hatte trotzdem viele Fragen. Ohne das gute Kollegium hätte ich es mir kaum vorstellen können.“
Höpfel holt das sogenannte Berufspraktikum nun mit einem Jahr Verspätung nach. Dass er es nicht bereits vergangenes Jahr absolviert hat, lag nicht nur daran, dass Physiklehrer sehr gefragt sind, sondern auch an seinem Zweitfach Psychologie und Philosophie (PUP). Laut Höpfel gebe es in dieser Fachrichtung zu viele Absolventen und zu wenige Betreuungslehrer: „Ich mache mir keine Illusionen, PUP in den nächsten Jahren zu unterrichten .“
Studenten in der Klasse
Das Beispiel des Lehrers zeigt, dass die Lehrersuche sehr fächerspezifisch ist. Bei akuter Knappheit, wird teilweise auf Studenten zurückgegriffen. Höpfel findet das problematisch: „Die Unterrichtsplanung an der Schule ist etwas ganz anderes als während des Studiums, weil man viel weniger Zeit hat.“ Hinzu komme eine deutlich schlechtere Bezahlung und oft eine Verlängerung der Studienzeit, da neben der Arbeit nur wenig Zeit für das Studium bleibe.
Höpfel ist trotz Lehrermangels froh, dass er seine Diplomarbeit bereits während des Studiums erledigt hat und sich nun auf seine neue Aufgabe konzentrieren kann: „Der Lehrberuf ist intensiv, aber mindesten genauso bereichernd.“
So geht es vielen Pädagogen. In der Bundeshauptstadt soll deshalb ein Sonderprojekt der Uni Wien einen kleinen Beitrag zum Kampf gegen den Lehrermangel leisten und gleichzeitig aus Krisengebieten geflüchteten Lehrern die Möglichkeit geben, hier zu unterrichten. Nach Prüfung der fachlichen Eignung werden in einem einjährigen Lehrgang die pädagogischen Grundlagen für den Unterricht in Österreich vermittelt. Ab Schulbeginn kommen 23 von ihnen in ihren angestammten Fächern an NMS und Gymnasien zum Einsatz.