So wird der Winter 2014
Von Martin Burger
Die Jänner-Bilanz 2012 der Hohen Warte lautete: „Im Großteil Österreichs war es um 2,0 bis 2,5 Grad zu warm.“ Ein Jahr später resümierten die Meteorologen den Hochwinter 2013 mit den Worten: „Österreichweit lag der Jänner um 1,2 Grad über dem vieljährigen Mittel.“ Auch der kommende Jänner wird voraussichtlich zu warm ausfallen, prognostiziert Gerhard Hohenwarter von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), um 1 Grad (siehe Karte).
Das ist nicht in ganz Europa so. Die Mittelfristprognose für Deutschland sagt einen kalten und schneereichen Winter voraus. Ein Meteorologe einer kommerziellen Wetterseite sieht den Wettergott sogar eine „Kältepeitsche“ schwingen. Der US-amerikanische Wetterblog The Weather Center sagt für große Teile Nordamerikas und Europas einen frostigen Winter voraus.
Wie abgesichert solche mittelfristigen Vorhersagen sind, lässt sich so beantworten. Je konkreter, desto unseriöser.
Hohenwarter fasst zusammen, was man als Meteorologe guten Gewissens vorhersagen kann: ein „von den Temperaturen her leicht überdurchschnittlicher Winter“ stehe ins Haus, das sei „ein vorsichtiger Trend“. Der worauf beruht? „Wir haben heuer schon mehrmals ein stabiles Hoch gehabt. Diese Konstellation hat uns heuer die Hitzewellen im Juli und August gebracht. Auch dem Hochwasser lag eine relativ stabile Wetterlage zugrunde, das war nur halt kein Hoch, sondern ein Tief.“ Diese stabilen Verhältnisse seien typisch für 2013 und die Vorjahre.
Paradoxerweise macht gerade eine gleichbleibende Wetterlage die Vorhersage schwierig. Grund dafür ist die Lage Österreichs im Übergang von atlantischem und kontinentalen Klima. Die Feingliederung des Landes durch die Gebirgszüge und Täler der Alpen, erschwert die Temperatur-Prognose.
Erstellt werden die globalen Prognosen in Reading bei London. Das Europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorhersagen (EZMW) wertet seit 1972 Wetterdaten aus aller Welt aus. Der Computer rechnet dazu mit Größen, die sich nur allmählich ändern: mit der weltweiten Ausbreitung von Schnee und Eis, Bodenfeuchte und Ozeantemperaturen. Das Meer als Temperaturspeicher wirkt nachhaltig auf das Wettergeschehen und ist so etwas wie das Langzeitgedächtnis der Meteorologie. „Damit die Vorhersage für Jänner stimmt, muss es entweder zu einer anhaltenden Westwetterlage mit einem Wechsel von Kalt- und Warmfronten oder einem stabilen Hoch über Westeuropa kommen, das relativ milde Atlantikluft nach Mitteleuropa bringt“, erläutert Hohenwarter. Verlagert sich das Hoch nach Mitteleuropa, kann es sein, dass kältere Luft aus dem Norden und Nordosten zu uns gelangt und für eisige Temperaturen sorgt.
In Reading 50 Kilometer westlich von London laufen alle Datenfäden in Sachen Langfrist-Prognosen in Europa zusammen. Hier haben 22 Länder, unter ihnen auch Österreich, seit den 1970er-Jahren ihre Kräfte gebündelt, hierher werden nur die weltbesten Meteorologen geschickt. Derzeit ist der Österreicher Thomas Haiden am „Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersagen“ (ECMWF) in Reading tätig.
Für globale Prognosen, wie sie in Reading erstellt werden, reichen die Messdaten der nationalen Wetterstationen nicht mehr aus. Hohenwarter: „Das A und O bei der Saisonprognose sind die durch Satelliten gewonnenen Daten.“ Ausgewertet werden die Eisverteilung auf den Meeren, die Verteilung der globalen Hoch- und Tiefdruckgebiete und die Temperaturverteilung. Von der Bodenfeuchte gibt es nur wenige Messungen.
Versuche, das Wetter vorherzusagen, sind bereits aus dem 4. Jahrtausend v. Chr. überliefert. 1660 erkannte der Deutsche Otto von Guericke den Zusammenhang zwischen dem Abfallen des Luftdrucks und dem Anzug eines Unwetters. Um 1900 entstanden viele nationale Wetterdienste. Kaiser Franz Joseph bewilligte die Errichtung einer „Centralanstalt für meteorologische Beobachtungen“ (heute ZAMG) 1851.
... der deutsche Politiker und Naturwissenschaftler Otto von Guericke im Jahr 1660 erstmals den Zusammenhang zwischen dem Abfallen des Luftdrucks und dem Heraufziehen eines Unwetters erkannte? Ein europäisches Beobachtungsnetz entstand um 1800. Der nordatlantische Eis-Warndienst wurde erst nach dem Titanic-Unglück 1912 gegründet.
... die Packeisgrenze in der Arktis weit zurückgewichen ist? Aber: Die Meereisfläche liegt mit 5,1 Millionen um 50 Prozent über dem Negativrekord von 2012 (3,4 Millionen )? „Dieser Wert bedeutet keine Trendwende“, erläutert Marcel Nikolaus vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung. Die gemessene Eisdecke reihe sich in die geringen Werte der vergangenen Jahre ein und bestätigt die Abnahme. So werden Schmelztümpel auf dem Eis immer früher im Jahr beobachtet. Das Packeis ging binnen 20 Jahren um etwa acht Prozent zurück.
... für die mittelfristige Vorhersage des Wetters die Eisverteilung über dem Nordpol wesentlich ist? Dort, wo das Wasser gefroren ist, kann sich die kalte Luft sammeln. Die Kälte kann im Winter bis zu minus 70 Grad erreichen. Laut WWF stieg die durchschnittliche Lufttemperatur in der Arktis im vergangenen Jahrhundert allerdings um rund fünf Grad Celsius.
... je kälter die Luft ist, desto kleiner die Schneeflocken sind? In sehr kalter Kontinentalluft kommt es überhaupt nur zur Bildung von Kristallen, die in der Luft schweben.
... die Prognosen in den vergangenen 40 Jahren immer besser wurden, um einen Tag pro Jahrzehnt? Möglich ist das durch Satellitenbeobachtungen, genauere Messgeräte und immer bessere Computermodelle. Eine Vorhersage für fünf Tage ist heute so zuverlässig wie eine 24-Stunden-Prognose 1968.