Chronik/Österreich

Neuer Eremit für Einsiedelei in Saalfelden gefunden

Die mehr als 350 Jahre alte Einsiedelei am Palfen bei Saalfelden (Pinzgau) hat einen neuen Bewohner. Ein 58-jähriger Belgier wird Ende April die Klause am Fuße des Steinernen Meeres beziehen. Der pensionierte Vermessungstechniker und geweihte Diakon Stan Vanuytrecht aus der Nähe von Brüssel hat sich nach einem langen Auswahlverfahren gegen mehr als 50 Bewerber aus aller Welt durchgesetzt.

Über die "Stellenausschreibung" hatten Medien rund um den Globus berichtet. "Wir haben uns für Stan Vanuytrecht entschieden, weil uns seine Persönlichkeit sehr anspricht. Er strahlt Ruhe aus und wirkt gefestigt. Und er hat uns gleich wissen lassen, dass er für längere Zeit als Einsiedler in Saalfelden leben möchte", erklärte Bürgermeister Erich Rohrmoser die Entscheidung. Geplant sei das erste Zusammentreffen der Bevölkerung mit dem neuen Einsiedler bei der Georgifeier am 30. April.

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"Ich dachte, ich habe keine Chance", zeigte sich Vanuytrecht in einer ersten Reaktion gegenüber dem Saalfeldener Pfarrer Alois Moser überrascht. Er habe sich schon lange nach einem Leben als Einsiedler gesehnt. "Als ich von der Eremitage in Saalfelden gelesen habe, dachte ich mir: Das ist mein Platz. Hier will ich sein." Die Stille in der Früh und am Abend und der intensive Kontakt mit den Besuchern tagsüber seien für ihn die ideale Kombination.

Gute Deutschkenntnisse

Wie das Stadtamt mitteilte, blickt der neue Einsiedler auf ein bewegtes Leben zurück. Nach einem abgebrochenen Studium trat Vanuytrecht 1977 den Wehrdienst bei der belgischen Luftwaffe an. Im Anschluss absolvierte er die Ausbildung zum Artillerieoffizier und war zwei Jahre lang in Deutschland stationiert. Aus dieser Zeit stammen auch seine guten Deutschkenntnisse. 1982 kehrte er an die Uni zurück und studierte Vermessungswesen. Als Vermessungstechniker war er dann bei privaten und öffentlichen Energieversorgern in Belgien tätig. Seit Oktober 2014 ist Vanuytrecht in Pension.

Nebenberuflich engagierte sich der bekennende Katholik im Sozialbereich und in der Kirche. Er absolvierte die Ausbildung zum freiwilligen Sanitäter und versah elf Jahre lang regelmäßig Nachtdienste in der Notaufnahme eines Krankenhauses. 2005 begann er mit der Ausbildung zum ständigen Diakon. Im Rahmen seines Praktikums betreute er Obdachlose, Alkoholiker und Drogenabhängige. 2015 wurde er zum ständigen Diakon geweiht. In dieser Funktion unterstützt er seither den Pfarrer einer Dekanatskirche, besucht Häftlinge in einem Gefängnis und Patienten in einer Psychiatrie.

Er fährt Trabant

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Er habe schon vielen Menschen in schwierigen Lebenssituationen geholfen, so Vanuytrecht. "Diese Erfahrungen sind meiner Meinung nach für einen Einsiedler von Vorteil. Es ist wichtig, zuzuhören ohne selbst zu sprechen und ohne zu urteilen. Ich möchte mich nicht aufdrängen." Auch sein eigenes Leben sei nicht immer einfach gewesen. Eine psychische Erkrankung seiner früheren Lebensgefährtin, mit der er zwei Kinder hat, führte schließlich zur Scheidung. "Nach der Scheidung musste ich mit sehr wenig auskommen. Ich war froh, wenn ich Geld für Essen hatte." Heute ist er finanziell abgesichert, Wert auf Luxus und materielle Annehmlichkeiten legt er aber nicht. Das spiegelt auch sein Auto wider, ein Trabant aus der ehemaligen DDR.

Die Einsiedelei in Saalfelden feierte 2014 ihr 350-jähriges Bestehen. Sie ist eine der wenigen in Mitteleuropa, die noch von Eremiten bewohnt wird. Die "Saison" für die Bewohner dauert von April bis November. Während der Wintermonate ist die in den Fels gebaute Klause nicht bewohnbar. Der vorangegangene Eremit, ein Wiener Pfarrer, blieb einen Sommer, dessen Vorgänger, ein Benediktinermönch, bewohnte die Klause zwölf Jahre lang. Bezahlung gibt es übrigens keine, der Eremit muss für seinen Unterhalt selbst aufkommen. Das Leben in der Einsiedelei ist einfach und karg. Es gibt keinen Strom und kein fließendes Wasser. Die Klause wird von sehr vielen Einheimischen, Gästen und Pilgern besucht - sei es um zu beten und darüber zu reden, was sie bewegt und bedrückt, aber auch um nur die Aussicht zu genießen.