"Salzburg ist ein totes Pflaster"
Von Niki Nussbaumer
Es ist 18.01 Uhr und das spanische Pärchen rüttelt irritiert an der Eingangstüre einer Boutique in der Salzburger Linzer Gasse.
"Geschlossen“, erklärt ein Passant den beiden auf Englisch. „Why?“ fragen die Spanier verwundert.
Warum?
Diese Frage stellen sich nicht nur Touristen, die von daheim Öffnungszeiten bis 22 Uhr gewöhnt sind, sondern auch Einheimische, die bis 18 Uhr arbeiten müssen.
Warum sperren in einer Stadt, die so sehr vom Fremdenverkehr lebt, die meisten Geschäfte um 18 Uhr zu?
Warum gibt es in der Salzburger City etliche Läden, die über Mittag schließen?
Und warum ist es so schwer, in Salzburg am Sonntag offene Lokale zu finden?
Lokalaugenschein
Der Juwelier in der Linzer Gasse öffnet unter der Woche von 10 bis 12 Uhr und von 14 bis 18 Uhr; im Modehaus wird von 10 bis 12 Uhr und von 13 bis 18 Uhr gearbeitet und das Teppichgeschäft ist von 9 bis 12 Uhr und von 15 bis 18 Uhr für seine Kunden da.
„Salzburg ist einfach anders“, sagt Evelyne Kreppenhofer lachend. Die gebürtige Wienerin ist seit heuer Filialleiterin im Schuhgeschäft Salamander am Platzl, das um 18 Uhr die Rollläden herunterlasst (in Wien sperren die Filialen teilweise erst um 20 Uhr). „Vom Unternehmerischen her wäre ich dafür, bis um 19 Uhr offen zu lassen“, sagt sie. „Privat bin ich froh, dass wir früher zusperren.“
Schmuck-Galeristin Andrea Baischer könnte ihren Familienbetrieb lange offen halten – tut es aber nicht. „Es bring mir nichts, es gibt am Abend kaum Kunden.“
In der Hartlauer-Filiale am Ende der Linzer Gasse kündigt Geschäftsführerin Monika Brunner an, den Laden am Samstag künftig schon um 13 Uhr schließen zu wollen – statt wie bisher um 16 Uhr. „Es zahlt sich nicht aus“, klagt sie. Seit zwei, drei Jahren würden die Kunden ausbleiben und sich im Europark am Rande Salzburgs treffen. „Und unsere Altstadt stirbt aus“, meint sie bitter.
Bessere Zeiten
Im traditionellen Café Bazar am Ufer der Salzach müssen die Gäste noch bis März um 19.30 Uhr heim gehen. „Weil nichts los ist“, sagt Chefin Evelyn Brandstätter. Vor 30 Jahren sei das Lokal abends bummvoll gewesen, nun wären vielleicht noch fünf Tische besetzt. Zu wenig Umsatz, um die Mitarbeiter drei Stunden länger zu bezahlen. „Salzburg ist ein totes Pflaster. Eine zu kleine Stadt mit zu vielen Lokalen.“
Im knallroten Souvenir-Shop des Süßwarenproduzenten Reber in der Getreidegasse macht sich Geschäftsführerin Maria Fink so ihre Gedanken: „Ohne Tourismus könnten wir die ganze Altstadt sperren“, sagt sie. In anderen Ländern fange das Leben erst am Abend an – dann, wenn hier alles dicht mache. „Das ist für Touristen sicher ungewöhnlich.“ Sie hält ihr Geschäft meist bis 18 Uhr offen – nur bei entsprechender Kundenfrequenz bis um 19.30 Uhr.
Selbst bei den großen Mode-Ketten wie Mango, Bonita oder Benetton in der Getreidegasse ist um 18.30 Uhr Schluss. „So war’s immer und so wird’s auch bleiben“, sagt eine Verkäuferin. „Wir sind halt ein Volk, das abends gerne heim zur Familie geht.“
KURIER: Viele Innenstadt-Shops sperren um 10 Uhr auf und um 18 Uhr zu. Geht es den Salzburger Geschäftsleuten so gut?
Johann Peter Höflmaier: Das Gegenteil ist der Fall: Viele Betriebe können es sich einfach nicht leisten, länger aufzusperren. Die Zuschläge,die sie ihren Mitarbeitern zahlen müssten, wären zu hoch.
Viele Berufstätige kommen unter der Woche nicht mehr zum Einkaufen, weil die Shops entweder noch zu oder schon geschlossen haben. Oder sie müssen in die großen Einkaufscenter am Stadtrand ausweichen.
Stimmt. Aber für die Unternehmer stellt sich die Frage: Zahlt sich das Aufsperren aus oder nicht? Ich fordere daher von der Gewerkschaft endlich mehr Flexibilität. Wir wollen im Handel ein höheres Grundgehalt. Dafür soll es All-Inclusive-Verträge geben, in denen Zuschläge nicht extra abgegolten werden müssen – aber im Rahmen einer 38,5-Stunden-Woche.
KURIER: Stört es Sie nicht, dass man in der Innenstadt ab 18.30 Uhr nicht mehr einkaufen kann?
Inga Horny: Nein, das ist mir egal.
Aber viele Touristen stört es.
Das mag sein. Aber wir sind kein Einkaufszentrum. Wir haben sehr viele Unternehmer-geführte Betriebe, denen kann ich nicht vorschreiben, wie lange sie im Geschäft stehen müssen. Vielleicht ist das Einkaufen in Innenstädten abends auch nicht mehr so gefragt. Was mich stört, ist, dass die Schaufensterbeleuchtung um 22 Uhr abgedreht ist.
Viele Gäste sagen: „Wunderschöne Stadt, aber abends tot.“
Wir sind eine kleine Stadt, werden aber mit Berlin oder New York verglichen. Andere Städte dieser Größenordnung sind auch verschlafen.
Graz oder Innsbruck sind aber wesentlich lebendiger.
Das sind Uni-Städte. Wir haben zwar eine Uni, sind aber keine Studentenstadt.
KURIER: Die vielen Gäste aus dem Inland und Ausland stehen in Salzburg sehr oft vor verschlossenen Geschäften.
Heinz Schaden: Das tut mir leid. Ich weiß, dass die internationalen Gäste ganz etwas anderes gewöhnt sind. Vom Gesetz her könnten die Geschäfte in der Altstadt von Montag bis Freitag bis 22 Uhr offen halten. Aber anders als in anderen Tourismusregionen wie in Saalbach wird das von den Geschäftsleuten hier in der Stadt Salzburg fast nicht angenommen.
Warum nicht?
Das verstehe ich auch nicht. Wenn ich mit dem Fahrrad heim fahre, ist ab 18 Uhr fast alles dicht. Das ist für mich schon überraschend. Aber ich kann niemanden zwingen, länger offen zu halten. Ich kann nur sagen: Macht es – denn das internationale
Publikum ist sicher dafür zu haben. Gerade zur Festspielzeit und vor Weihnachten wäre Kaufkraft da.