Rufzeichen: Besser als sein Ruf
Von Uwe Mauch
Das Rufzeichen ! geriet zuletzt ordentlich in Verruf. Im eigens für Sprachpuristen geschaffenen Blog Excessive Exclamation regen sich laut Florence Hazrat „einige Streber über den inflationären Gebrauch von !, !!! oder gar !!!!!!!!!! im öffentlichen Raum auf und posten entsprechende Fotos“.
Dagegen verwehrt sich die in Berlin geborene und an der Uni Cambridge ausgebildete Sprachwissenschafterin in ihrem Buch. Aber der Reihe nach:
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Zeichen der Hysterie: Unbestritten ist, dass alte und neue Boulevardmedien von ihrer Hysterie einiges einbüßen würden, könnten sie in ihren Schlagzeilen keine Rufzeichen mehr setzen. Der senkrechte Strich über dem Punkt ist jedoch nur die Spitze einer Gesellschaft, in der die ständig Aufgeregten und ewigen Schwarzmaler den nüchternen Diskurs verhindern.
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Zeichen des Zwiespalts: Auch in sozialen Medien soll das eine oder andere ! für mehr Aufmerksamkeit sorgen, doch steht dem Rufzeichen dort ein ganzer Baukasten an Zeichen zur Seite. Die Emojis schaffen zusätzlich Emotionen in unseren Köpfen. Übrigens wurde in einer Studie nachgewiesen, dass der vormalige und womöglich auch kommende Präsident der USA, Donald Trump, Fakten immer dann nicht ernst nimmt, wenn er auf seinen eigenen Infokanälen ausgiebig ! setzt. „Trumps Twitter hat das Rufzeichen zum Knecht des Zwiespalts gemacht“, klagt die Expertin für Zeichensetzung, Florence Hazrat.
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Zeichen der Aufklärung: Umso verdienstvoller ist ihr Buch. Ein Geniestreich ist laut Hazrat schon dem italienischen Dichter und Gelehrten Jacobus Alpoleius de Urbisaglia gelungen. In seiner Schrift „Ars punctandi“ (Die Kunst der Zeichensetzung) widersetzt er sich Mitte des 14. Jahrhunderts der bis zu seiner Zeit vorherrschenden Deutungshoheit der Kirche. Innerhalb der Klostermauern durfte das ! nur das Anheben der Gesangstimme anzeigen. Jacobus Alpoleius gab ihm einen weltlichen Auftrag: Ausruf und Verwunderung in einem Text wollte er fortan mit einem speziellen Symbol für die Dramatik kennzeichnen.
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Zeichen der Dringlichkeit: Ein halbes Jahrhundert später, im Jahr 1399, setzte ein Florentiner Anwalt und Politiker bildlich gesprochen noch eines drauf. Coluccio Salutattis schuf in seiner Abrechnung mit den Medizinern das ! – so wie wir es heute kennen. In einem heftig geführten Disput forderte er den Arzt Bernhardinus Florentinus und Kollegen auf: „Ich bitte Sie und andere Doktoren dringend, bitte antworten Sie mir!“
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Zeichen der ganzen Welt: Im Wettrennen um globale Vermarktung dient das ! heute unterschiedlichen Rufern und Ruferinnen: der Modekette Joop! oder dem Internetriesen Yahoo!, auch Musikgrößen wie P!NK oder Wham!. Rufzeichen sind vom Persischen bis zum Mandarin laut Florence Hazrat in fast jeder Sprache sowie auf jedem Kontinent gebräuchlich.
Florence Hazrat: Das Ausrufezeichen. Eine rebellische Geschichte. Verlag HarperCollins, 224 Seiten, 20,60 Euro.
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Zeichen der Achtsamen: Hazrat betont in ihrem Buch, dass das Rufzeichen auch das Satzzeichen der Achtsamen ist: „Es regt uns dazu an, aufmerksam zu bleiben, genau hinzusehen, immer innezuhalten und nachzudenken.“
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Zeichen mit Fragezeichen: Ein ! kann nämlich auch Ausdruck der Wertschätzung, Aufmunterung und Dankbarkeit sein. Begeistert sich nicht nur die Buchautorin. „Ich darf Ihnen mitteilen, dass alles geklappt hat, so wie Sie es versprochen haben!“ wäre so ein Satz mit Rufzeichen. Oder: „Du schaffst das!“ Oder: „Herzlichen Dank für Deine Unterstützung!“
Laut einer Studie aus dem Jahr 2006 setzen deutlich mehr Frauen als Männer ein positiv-aufmunterndes ! ans Ende ihrer digitalen Nachrichten. Ist das überraschend? Wohl nicht sehr. Womit wir jetzt beim nächsten Satzzeichen angelangt wären: Wer schreibt für uns das nächste Buch – über das Fragezeichen?