Rekordaufgriff: Größter Schlag gegen die Tabak-Mafia
Es ist ein kleines, unscheinbares Lagerhaus inmitten einer hügeligen Landschaft südlich von St. Pölten. Ein paar Ponys traben fröhlich vorbei. Vor dem Eingang liegen ein paar Steinhaufen, irgendwer hat sogar eine Wildkamera hier platziert. Vielleicht schaut sogar mal ein Fuchs oder gar Wolf hier vorbei.
Perfekt getarnt hatte sich an diesem Ort außerdem die „Zigarettenmafia“ einquartiert, wie die Zollfahndung nun aufgedeckt hat. Am 19. November stürmte ein Großaufgebot an Beamten das illegale Lager und fand dort 32 Tonnen Tabak. Zwei Arbeiter waren gerade damit beschäftigt, einen polnischen Klein-Lkw zu beladen. Ein Teil der insgesamt 196 Kartons war bereits zum Abtransport eingeladen als die bewaffneten Zollfahnder im Eingang standen.
Drei Personen wurden vorübergehend festgenommen, der Chauffeur sowie zwei Arbeiter (alle drei aus Polen). Die beiden Arbeiter mussten offenbar substandardmäßig in der kalten Lagerhalle wohnen, als Lohn erhielten sie dafür rund 1000 Euro im Monat. Das reichte gerade einmal für polnische Wurst und Eier, die im Kühlschrank der Küche lagerten. Die Reste sind heute noch in der Pfanne am Gasherd zu bewundern.
"Zigarettenmafia": Furchtbare Bedingungen
„Hier haben zwei Schwarzarbeiter unter furchtbaren Bedingungen gearbeitet. Es gibt Schlafmöglichkeiten und eine Küche – allerdings unter sehr sehr schäbigen Bedingungen. Das zeigt auch welchen Charakter die Zigarettenmafia hat“, sagt Ministeriumssprecher Johannes Pasquali zum KURIER.
Allen Beteiligten drohen laut Zollfahndern bis zu sechs Jahren Haft. Auch der ebenfalls polnische Besitzer der Firma, die legal angemeldet war (aber offenbar illegal produzierte), muss mit einiger Zeit hinter Gittern sitzen. Dazu will die Finanz mehr als eine Million Euro Steuernachzahlung eintreiben.
Tabak kam via Belgien
Insgesamt sollen rund 300 Tonnen Tabak via Belgien in die betroffene Lagerhalle in Niederösterreich geliefert worden sein, vermuten die Fahnder des Zollamtes Eisenstadt/Flughafen Wien. Der Straßenverkaufswert dieser Menge liegt bei rund 70 Millionen Euro.
In der Nähe von St. Pölten wurden sie mit einer Art Zentrifuge getrocknet, außerdem wurde der Tabak aromatisiert – auch mit Hilfe von Rum, Zucker, Kakao und Schokolade. „So soll der Tabak ähnlich riechen wie bekannte Marken von Marlboro bis Camel“, erklärt ein Ermittler.
Europaweit werden verschiedenste Produktionsstandorte genutzt, um vom Tabak zu den fertigen Zigaretten zu kommen. Nach aktuellem Ermittlungsstand dürfte der getrocknete Tabak in kleineren Mengen nach Lettland gebracht worden sein. Dort könnte sich eine Fabrik befinden, die dann das Endprodukt herstellt. Weitere Ermittlungen sind noch im Laufen.
Im Jahr 2017 wurden insgesamt 7,2 Mio. Zigaretten durch den Zoll sichergestellt. Das bedeutet, alleine mit diesem Aufgriff wird dieser Wert um mehr als das Vierfache übertroffen. Der letzte vergleichbare Fall geht auf das Jahr 2007 zurück, als in Maria Ellend 20,1 Tonnen Tabak sichergestellt wurden – also weit weniger.
Löger: "Großartige Arbeit"
„Das ist der bisher größte Schlag gegen die organisierte Zigarettenmafia, die wie ein international tätiger Konzern grenzübergreifend agiert. Unsere Zöllner haben großartige Arbeit geleistet. Dieser Aufgriff ist nur durch ihren professionellen und entschlossenen Einsatz möglich“, betonte Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP).