Polizei rüstet auf: Terrorabwehr in jeder Funkstreife
Der Kampf gegen den internationalen Terrorismus beginnt in Österreich künftig in jeder Funkstreife. Statt ausschließlich Sondereinheiten soll künftig jeder Streifenpolizist gleich den Kampf mit derartigen Angreifern aufnehmen können. Mit einem neuen Anti-Terrorpaket wird die heimische Polizei zu einer der bestausgestatteten in ganz Europa werden.
Der KURIER konnte in die geheime Einkaufsliste des Innenministeriums Einblick nehmen: 550 neue Sturmgewehre werden in einer ersten Tranche angekauft, dazu 6500 ballistische Einsatzhelme, 750 Splitterschutzwesten und vier hochmoderne Hubschrauber stehen darauf. "Wir wollen bei der Terrorbekämpfung nichts dem Zufall überlassen", betont Ressortchef Wolfgang Sobotka.
Derzeit ist die Lage nämlich so: Bei einer Terrorattacke stehen in den ersten Minuten relativ ungeschützte Beamte mit Glocks und 9-mm-Patronen den Terroristen gegenüber, die mitunter mit automatischen Sturmgewehren, großen Kalibern und sogar Schutzwesten ausgestattet sind. Es ist ein ungleicher Kampf, bis Verstärkung durch Spezialeinheiten wie Cobra oder WEGA vor Ort ist. Doch das kann selbst in Österreichs Städten im Extremfall bis zu einer halben Stunde dauern. Da bleibt genügend Zeit, um ein mögliches Massaker anzurichten.
Sturmgewehr und Helm
Laut KURIER-Informationen wurde eine eigene Arbeitsgruppe im Ministerium gegründet, um mittelfristig sogar in jeder der 1500 Funkstreifen griffbereit ein Sturmgewehr zu haben. Die Helme werden selbst dem Beschuss mit Maschinenpistolen standhalten. Der Polizei stehen damit künftig im Extremfall Hunderte zusätzliche Terror-Bekämpfer mit entsprechender Feuerkraft zur Verfügung. Diese können den Anschlag zwar nicht verhindern, aber künftig Anschläge in der Größenordnung jener von Paris rascher und effizienter bekämpfen.
Aber auch die Cobra soll künftig noch rascher und kräftiger vor Ort sein. Das Innenministerium schafft vier neue, noch stärkere Hubschrauber an. Diese Helikopter sollen künftig mehr Beamte als bisher zum Einsatzort transportieren. Diese vier Hubschrauber werden verteilt in Österreich stationiert werden, um auch entlegenere Ecken rascher zu erreichen.
16 gepanzerte Fahrzeuge
Binnen kürzester Zeit ist es somit von jedem der Standorte möglich, ein größeres Spezialkommando rasch an den Ort des Geschehens zu bringen. Diese Spezialkräfte bekommen außerdem 750 taktische Schutzwesten und 16 neue gepanzerte Fahrzeuge, deren genaue Beschussklassen aus Sicherheitsgründen geheim gehalten werden. Außerdem tauscht die WEGA ihre teils 30 Jahre alten Gewehre gegen die neuesten Sturmgewehre mit Laser-Visiereinrichtung.
Bisher war die Polizei-Taktik vor allem auf Geisellagen aufgebaut. Dabei reicht es, zunächst vor Ort nicht so hochgerüstete Exekutivbeamte zu haben, die zur Beruhigung der Lage meist ausreichen. Die Spezialkräfte kommen dann in einer zweiten Welle, um mögliche Zugriffe zu tätigen. Doch Terroristen handeln ganz anders, sie wollen rasch möglichst viel Schaden anrichten und dafür benötigt es ebenso schnell gut hochgerüstete Personen am Ort des Geschehens. Mit Sobotkas Einkaufsliste werden die Polizisten auf alle Eventualitäten vorbereitet sein.
Die 6500 neuen Einsatzhelme haben allerdings noch einen weiteren Grund: Im Juli wurde ein Polizist in der Hütteldorfer Straße in Wien von einem Räuber mit einem Kopfschuss getötet. Innenminister Sobotka besuchte anschließend die betroffene Polizeiinspektion und fragte, warum der Beamte denn keinen Einsatzhelm trug. Da es damals hieß, dass es die in Wien für Streifenpolizisten nicht gibt, landete dieser Posten gleich auf der Liste.
Bereits zu Jahresbeginn schlug die Polizei-Gewerkschaft via KURIER Alarm: Die Zahl der Übergriffe auf Polizisten steigt an. Fast 2000 Beamte wurden allein im Vorjahr bei Einsätzen verletzt, die Hälfte davon durch Fremdeinwirkung.
Dabei gibt es vor allem zwei Brennpunkte: Zwischenfälle zwischen links und rechts bei Demonstrationen sowie zunehmende Aggressivität rund um Hotspots in großen Städten, etwa in Wien am Praterstern oder entlang des Gürtels.
"Ballistische Gilets"
Für die Einsätze an den Drogen-Brennpunkten werden die Beamten nun künftig mit speziellen Stichschutz-Westen ausgerüstet (siehe Foto oben). Derartige Kleidungsstücke, die offiziell "ballistische Gilets" heißen, kosten rund 400 bis 800 Euro und sind nicht so schwer wie Splitterschutzwesten – sie wiegen keine zwei Kilogramm. Die meisten Modelle können sogar von außen unbemerkt unter der Jacke getragen werden und bieten auch Schutz bei Angriffen von hinten. Diese Westen sind ideal für den Einsatz bei den Hotspots, heißt es im Innenministerium.
Erste Versuche mit den Stichschutz-Westen, die auch Beschuss mit manchen Pistolenkalibern abhalten, dürften im Dezember starten. Künftig sollen diese Gilets Kriminalbeamten genauso wie uniformierten Polizisten zur Verfügung stehen.
Vorerst ist allerdings noch unklar, wie sich die Weste im Einsatz genau bewährt und wie viele dann tatsächlich bestellt werden. Außerdem ist derzeit bereits der Austausch aller schweren Schutzwesten im Laufen, der bis Jänner abgeschlossen wird. Zwei davon sind in jedem Einsatzfahrzeug, doch für den täglichen Straßeneinsatz sind sie zu schwer.
Spezialoveralls
Auch für die immer mehr eskalierenden Demo-Einsätze wird es eine verbesserte Ausrüstung geben. Die Beamten werden mit feuerhemmenden Overalls und besserer Schutzausrüstung ausgestattet, um besser gegen derartige Attacken, aber auch Böller in Stadien, ausgerüstet zu sein. Die Gewerkschaft dürfte mit den neuen Ausstattungen wohl mehr als zufrieden sein. Ermöglicht hat das eine Ausweitung des Sicherheitsbudgets für 2017 um eine halbe Milliarde Euro.
Weiters ist ein Ausbau der Fahrrad-Polizei ein Thema. Derzeit sind 130 Beamte im Einsatz, für bis zu 80 weitere könnte Equipment angeschafft werden. Vor allem im städtischen Bereich haben sich die Fahrrad-Polizisten bei Verfolgungen bewährt. Noch ist aber nicht klar, in welchen Städten die Kapazitäten ausgebaut werden.