Chronik/Österreich

Österreichs Bischöfe sind gegen ein Verhüllungsverbot

Die österreichische Bischofskonferenz sagt Nein zu einem generellen Verhüllungsverbot, berichtet die katholische Presseagentur Kathpress.

Im Entwurf für ein "Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz" ortet die Kirche "schwerwiegende Fragestellungen" und menschenrechtliche Bedenken. So stünde ein generelles Verhüllungsverbot "zumindest in Spannung" mit den Artikeln 8 bis 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Wegen der Eingriffe in die allgemeinen Persönlichkeitsrechte, die zu einem "nicht ungefährlichen Präzedenzfall" werden könnten, unterstützt das Generalsekretariat der Bischofskonferenz das allgemeine Verbot nicht, heißt es in der von Generalsekretär Peter Schipka unterzeichneten Stellungnahme.

Einschränkung nur in Ausnahmefällen

Die grundsätzliche Freiheit, Kleidung frei wählen und in der Öffentlichkeit tragen zu können, müsse gewährleistet sein. Dies gelte insbesondere für Frauen, deren Freiheit von dem angestrebten Verbot in besonderem Maß betroffen wäre. "Eine Einschränkung des Rechtes auf freie Bekleidungswahl kann daher nur in bestimmten, aber konkret zu rechtfertigenden Ausnahmefällen zulässig sein", schlägt die Bischofskonferenz als rechtlich möglichen Ausweg dafür vor.

Grundsätzlich begrüßt die Bischofskonferenz, dass in den Erläuterungen des geplanten Gesetzes der Zusammenhang zwischen Integration und Kommunikation wird. "Eine insgesamt funktionierende zwischenmenschliche Kommunikation ist für ein friedliches Zusammenleben im demokratischen Rechtsstaat unverzichtbar", heißt es in der Stellungnahme.

Eine Verhüllung, insoweit diese aus Gründen religiöser Überzeugung oder kultureller Identität bzw. aus anderen "statthaften Motivationen" heraus stattfindet, könne auch Ausdruck einer legitimen Vielfalt sein, wie sie in einer pluralen, demokratischen Gesellschaft besonders zu schützen ist, erinnert die Bischofskonferenz. Weiters kritisieren die österreichischen Bischöfe das Fehlen von Ausnahmeregelungen, die aber erforderlich sind, um das Risiko eines verfassungswidrigen Eingriffs in die gesetzlich geschützten inneren Angelegenheiten anerkannter Kirchen und Religionsgesellschaften zu vermeiden.

Zu unbestimmt sind der Österreichischen Bischofskonferenz auch die im Entwurf für das Integrationsgesetz festgeschriebenen "Werte- und Orientierungskurse" für Asylberechtigte und subsidiär Schutzbedürftige. Menschen hätten in einer von Pluralität geprägten, freien Gesellschaft legitimerweise unterschiedliche, ja mitunter einander sogar widersprechende Wertevorstellungen. Deshalb regt das Generalsekretariat der Bischofskonferenz die gesetzliche Konkretisierung des Begriffs "Werte" dahingehend an, dass in den Kursen die Grundsätze der Staats-, Rechts- und Gesellschaftsordnung, zu denen Österreich als demokratischer Rechtsstaat verpflichtet ist, zu erklären und zu vermitteln sind.

Türkische Nationalisten verbieten sich Einmischung

Zur österreichischen Kopftuchdebatte hat sich nun auch die türkisch-nationalistische Bewegung Milli Görus zu Wort gemeldet. "Muslime sind darin frei, selbst festlegen zu dürfen, was sie für ihre Glaubensausübung als verpflichtend erachten und was nicht", meinte Vorsitzender Kemal Ergün in einer Aussendung. Er forderte von österreichischen Politikern, sich aus der Debatte herauszuhalten.

"Staatliche Akteure sollten sich in Fragen, in denen ihnen sowohl die rechtlichen wie auch die fachlichen Kompetenzen fehlen, zurückhaltend äußern", machte Ergün unmissverständlich klar. Muslime müssten sich nicht für die Ausübung ihres Glaubens erklären, denn: "Religionsfreiheit bedeutet insbesondere auch Definitionsfreiheit. Die Bestimmungshoheit über Glaubensinhalte obliegt den Gläubigen selbst." Diese Selbstverständlichkeit dürfe nicht zur Diskussion gestellt werden.

"Wenn Muslime zunehmend ihren theologischen Standpunkt gegenüber staatlichen Übergriffen rechtfertigen müssen, ist Anlass zur Sorge gegeben", meinte Ergün zur laufenden Kopftuchdebatte in Österreich. So eine Praxis sei unvereinbar mit dem Neutralitätsgebot. Der Staat sei nicht befugt, sich in die inneren Angelegenheiten einer Religionsgemeinschaft einzumischen.

Anlass für die Einmischung von Milli Görüs in die Debatte in Österreich ist ein theologisches Gutachten der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ), dass das Tragen eines Kopftuchs als Gebot bezeichnet hatte und auch von Regierungsvertretern kritisiert wurde. Ergün stellte in den Raum, dass in Österreich die Trennung von Staat und Religion offenbar nicht sehr ernst genommen werde. Das Gutachten bringe ein religiöses Gebot zum Ausdruck, dessen tatsächliche Befolgung in der Verantwortung des Individuums liege.

Die Bewegung Milli Görüs ("Nationale Sicht") geht auf den 2011 verstorbenen türkischen Politiker Necmettin Erbakan zurück und ist in Deutschland der größte staatsunabhängige sunnitische Verband. Er wird dort vom Verfassungsschutz beobachtet und setzt sich für die Errichtung einer "gerechten Ordnung" ein, die sich ausschließlich an islamischen Grundsätzen orientiert. In Österreich soll der ehemalige IGGiÖ-Präsident, Fuat Sanac, dem Verein nahe stehen.