Chronik/Österreich

ÖBB zahlen Rekordentschädigung

Eines Abends stand Dominik Senger plötzlich allein am Bahnhof in Guntersdorf (NÖ). Sein Zug aus Wien war zu spät dort angekommen. Und der (letzte) Anschlusszug in seine Heimat nach Haugsdorf war bereits davongefahren.

Was also tun? Der Lehrling wählte kurzerhand die Zugauskunft und fragte, was denn jetzt Sache wäre. "Man hat mir gesagt, ich soll ein Taxi nehmen, das würde mir dann anschließend bezahlt werden", erzählt er.

Senger bestieg besagtes Taxi und zahlte 50 Euro, für einen Lehrling viel Geld. Fast fünf Monate stritt er, schaltete einen Anwalt ein und bemühte die Schlichtungsstelle der Schienen-Control. Am Ende bekam er einen Teil des Ticketpreises zurück, das Taxi-Geld, einen 30-Euro-Gutschein und sogar eine schriftliche Entschuldigung der Bahn. "Glücklicherweise hatte ich eine Rechtsschutzversicherung", sagt Senger.

625.000 Euro gezahlt

34.933 Bahnkunden erhielten (wie Senger) im vergangenen Jahr einen Teil des Ticketpreises zurück – so viele wie noch nie zuvor. Insgesamt zahlten die ÖBB mehr als 625.000 Euro aus.

Zum Vergleich: Im Jahr davor waren es nur 21.000 Fahrgäste und rund 360.000 Euro gewesen.

Die meisten Fälle sind allerdings nicht so kompliziert wie jener von Senger, aber viel Papierkram und rund zwei Monate Wartezeit muss man schon auf sich nehmen. Vielreisende wissen zu berichten, dass es in Deutschland einfacher und rascher geht als in Österreich. Wobei hierzulande von den ÖBB versucht wird, die Auszahlung innerhalb eines Monats möglich zu machen.

Seit 2009 kann man für Bahnverspätungen Geld zurückzuverlangen. Ein Viertel des Preises wird bei über einer Stunde Verspätung zurückerstattet, die Hälfte ab 120 Minuten. Profi-Bahnfahrer sitzen schon einmal mit GPS im Zug und berechnen, ob diese Hürden geknackt werden. Geraten wird, sich am Zielbahnhof eine Bestätigung vom Zugbegleiter zu holen. Wie der KURIER im vergangenen Sommer bei einem Test herausfand, zahlen die ÖBB aber ohne diesem Papier problemlos den halben Fahrpreis aus. Das Ticket reicht. Es wurde auch nicht gestritten, obwohl der Zug wirklich nur eine Minute mehr als die 120 Minuten Verspätung aufwies.

Hochwasser als Ursache

Bei den ÖBB macht man vor allem das Hochwasser und erleichterte Entschädigungszahlungen für Jahreskartenbesitzer für diese Rekordentschädigungen verantwortlich. Mit einem Anstieg wurde deshalb gerechnet. Außerdem war heuer eine Vielzahl von Baustellen auf den Nachbarbahnen zu finden. "Die Fahrgastrechte werden auch immer bekannter, wir haben dafür einen Folder aufgelegt", sagt Konzernsprecher Michael Braun.

Insgesamt waren im Vorjahr 95,9 Prozent aller Personenzüge pünktlich. Das ist nur ein geringer Rückgang um 0,6 Prozentpunkte. Auch hier wird vor allem das Hochwasser (und die Baustellen im Ausland) verantwortlich gemacht.

Seit vergangenem Jahr müssen die Bahnbetreiber ihre Ticketpreise ausweisen. Doch das ist seither zu einem Verwirrspiel geworden. Der Schienen-Control wurde das mittlerweile zu bunt: Vor kurzem wurde sogar ein wettbewerbsrechtliches Verfahren gegen die ÖBB eingeleitet.

Derzeit schaut es so aus: Auf der ÖBB-Homepage kann man 23 verschiedene pdf-Files herunterladen. Auf darüber verstreuten rund 100.000 Seiten kann sich jeder seinen passenden Zugpreis heraussuchen. Allein die ersten 89 Seiten sind alle möglichen Verbindungen, die in Abfaltersbach (Osttirol) starten und in Bahnhöfen von A (wie Absberg) bis Z wie (Zurndorf) landen. Fein säuberlich geordnet nach Art der Strecke, Klasse und so weiter. Es fehlt tatsächlich kein auch noch so kleines Detail. Dieses muss man aber erst finden.

"ÖBB sind transparent"

"Uns wird fälschlicherweise vorgeworfen, wir würden nicht transparent sein: Das Gegenteil ist der Fall", meint ÖBB-Sprecher Michael Braun verärgert. "Aber Kritiker stören Fakten ja meist nicht."

Seit Dezember werden jedenfalls auch die Kilometerangaben nicht mehr auf den ÖBB-Tickets ausgewiesen. Bahnexperten meinen, dass damit der Kilometerpreis verschleiert werden soll. Braun sieht das anders: "Wir haben das gemacht, damit die Bahnkarten lesbarer werden. Das war ein großer Wunsch, unter anderem von Senioren-Vertretern." Im ÖBB-Fahrplansystem Scotty könne man aber im Datennetz die Kilometerzahl jederzeit nachschauen.

Im linken unteren Eck bei der Fahrplanauskunft ist es nun sozusagen im Kleingedruckten im Internet zu finden. Ob das die Seniorenvertreter wirklich zufriedenstellt, ist allerdings offen.

Auf einen anderen Trick hat die private Westbahn zurückgegriffen. Über die Hintertür wurden die Preise erhöht, weil einfach die Strecken für die Kilometerbank "verlängert" wurden. "Für Wien-Amstetten werden mir nun 130 statt 120 Kilometer abgebucht", sagt KURIER-Leser Christian F. "Das ist eine Trickserei. Ein Kilometer hat 1000 Meter, aber bei der Westbahn dehnt sich ein Meter offenbar jedes Jahr aus."

Die Westbahn betont, dass die Anpassung der Schienen-Control gemeldet wurde. Dort wird die Änderung aber als "problematisch" eingestuft.