Chronik/Österreich

Neues Strafrecht – erste Bilanz

Mit Beginn des Jahres wurden die Strafrahmen für Gewalt- und Sexualtäter angehoben. Dafür sieht das Strafgesetzbuch nun erheblich mildere Sanktionen für Ladendiebe, Safeknacker und Kreditbetrüger vor. Das scheint den Richtern der höheren Instanzen gar nicht zu schmecken.

Ein Reisender in Sachen Diebstahl hatte in Oberösterreich in ein Biker-Geschäft eingebrochen und dort 19 Fahrräder, 16 Motocross-Helme und 26 Vollvisierhelme im Gesamtwert von 22.800 Euro erbeutet. Er wurde erwischt und im Landesgericht Linz zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

Der Mann hat bereits fünf einschlägige Vorstrafen. Er war in Rumänien, Frankreich und Großbritannien auf Einbruchstouren gewesen und in Österreich nur zum Zweck eingereist, auch hier Diebstähle zu begehen. In Graz hatte er schon vier Jahre Haft ausgefasst. Dem Linzer Staatsanwalt erschien die neuerliche zweijährige Haftstrafe als zu gering: Er legte Berufung ein, der Fall landete vor dem Oberlandesgericht (OLG) Linz. Von diesem liegt nun das erste Urteil vor, das sich mit den neuen Strafen auseinandersetzt.

Halbes Jahr mehr

Der Berufungssenat erhöhte die Strafe auf zweieinhalb Jahre Freiheitsentzug. Wobei deutlich gemacht wurde, dass man gerne strenger gewesen wäre. Wegen des Rückfalls hätten bis zu siebeneinhalb Jahren Haft verhängt werden können.

"Mit Rücksicht auf die aus dem zwischenzeitig reduzierten Strafsatz hervorleuchtende rechtspolitische Wertung" sei jedoch "nur eine maßvolle Anhebung der Sanktion geboten", steht im rechtskräftigen OLG-Urteil.

Nach der Strafrechtsreform können für Einbrüche in Geschäfte, Büros und Lagerräume nur noch maximal drei Jahre Haft verhängt werden. Die bisherige Höchststrafe von fünf Jahren bleibt Einbrüchen in Wohnräume vorbehalten. Die Reform trug dem seit Jahrzehnten kritisierten Ungleichgewicht Rechnung, wonach dem Vermögen von der Justiz mehr "Wert" zugerechnet wird als Angriffen auf Leib und Leben.

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Mehr Häftlinge

Der neue Strafenkatalog sollte aber auch zur Entlastung der überfüllten Gefängnisse dienen. Die überwiegende Mehrzahl der Täter sitzt nämlich wegen Vermögensdelikten hinter Gittern, im Verhältnis zu körperlichen Angreifern sind es rund vier bis fünf Mal so viele.

Eine erste vorsichtige Bilanz zeigt aber: Bis jetzt erfüllt sich die Erwartung nicht. Die Zahl der Häftlinge sank nach einem Höchststand von 9080 Mitte September 2015 zum Jahreswechsel (noch vor Inkrafttreten der neuen Strafrahmen) auf 8667. Inzwischen nähert sie sich mit 8894 wieder dem einstigen Rekord.

Auch bei der Untersuchungshaft ist noch keine Reduktion zu merken: Ladendiebe und andere Kleinkriminelle wurden früher schon nach dem ersten Zugriff wegen Gewerbsmäßigkeit in U-Haft genommen. Dafür sind jetzt drei Delikte erforderlich, mit denen ein nicht unerhebliches Einkommen erzielt wurde. Trotzdem steigen die U-Haft-Zahlen (aktuell 1710) wieder leicht an. Im Justizministerium hält man die Zeitspanne für noch zu kurz, um die Auswirkungen der Strafrechtsreform verlässlich einschätzen zu können.