Matrei: Bauern bringen Leben ins Dorf
Die Pensionisten-Runde amüsiert sich bestens. An ihrem Stammtisch im „Talmarkt“ wird herzhaft gelacht. „Zum hoagaschtn ist es hier am besten“, erklärt die gesellige Truppe, warum sie sich hier praktisch jeden Tag zum Plausch trifft. Lokale, die sich in Matrei auf der Osttiroler Seite des Felbertauern-Passes als Treffpunkt eignen, sind in den vergangenen Jahren rar geworden, erzählen sie.
„Die Ortskerne sterben ja in ganz Tirol aus“, befindet Karl und bringt damit eines der zentralen Probleme im ländlichen Raum überhaupt auf den Punkt. Auch in der Marktgemeinde mit ihren 4675 Einwohnern sperrten in der Vergangenheit viele Gasthäuser und Cafés zu. Andere haben nur während der Tourismussaisonen geöffnet. Die Supermärkte sind am Dorfrand angesiedelt. Ein Nahversorger fehlte zuletzt Im Zentrum. Das ist an diesem Wochentag um die Mittagszeit wie ausgestorben.
Die Sonne genießen
Fast zumindest. Auf der Terrasse des im Dezember 2014 eröffneten und direkt am Hauptplatz gegenüber des Rathauses gelegenen Talmarkts sitzen zahlreiche Einheimische an den Tischen und lassen sich die Frühlingssonne ins Gesicht scheinen. Es ist eine Erfolgsgeschichte, die hier eine eigens gegründete Genossenschaft von rund 100 Bauern der Region gerade schreiben.
Sie vertreiben in dem modern gestalteten Geschäft ihre Produkte. Das dazugehörige Café trägt den Laden und umgekehrt. Das innovative Konzept weist weder die Handschrift von Politik, noch von landwirtschaftlichen Interessenvertretern auf – die Idee kommt gewissermaßen ab Hof. Genauer gesagt von jenem von Philipp Jans, der in Kals am Großglockner aus der Milch von 300 Ziegen Käse macht.
„Am Anfang war es schwierig“, gesteht der 37-Jährige. Zunächst mussten einmal Bauern von der Vermarktungsidee begeistert werden. „Wir sind von Hof zu Hof gepilgert und haben die Leute motiviert, Produkte zu liefern“, erzählt Jans. Das ist aufgegangen.
„Wir müssen andere Wege einschlagen. In der Landwirtschaft ist sonst kein Geld mehr zu verdienen“, sagt der Osttiroler. Das erste Jahr sei wirtschaftlich nicht einfach gewesen, doch schon im zweiten Jahr kam die Trendwende, erzählt Talmarkt-Geschäftsführerin Barbara Kratzer: „2016 haben wir 300.000 Euro an heimische Lieferanten ausbezahlt. Das ist Geld, das sonst nicht in der Region geblieben wäre.“
Sorgenkind Osttirol
Die Region ist ein Sorgenkind. Das peripher gelegene Osttirol kämpft mit Abwanderung und höheren Arbeitslosenzahlen als der Rest des Landes. Das betrifft insbesondere auch das Gebiet rund um das hoch verschuldete Matrei. Von hier müssen viele Einheimische auspendeln.
Die Idee des Talmarkts war es, Bauern ein attraktives Zusatzeinkommen zu ermöglichen.
Die damit einhergehende Belebung des Ortes ist ein angenehmer Nebeneffekt. Gleichzeitig wird ein kleiner Beitrag zur Lösung der großen Probleme Osttirols geleistet. „Wir haben fünf Angestellte“, sagt Kratzer. Auch ihren Job gäbe es ohne den Talmarkt nicht.
Die Produktpalette des Ladens entspricht einem klassischen Bauernmarkt. Da gibt es etwa Hausfrauen, die Kuchen für das Café backen oder Kappen für den Shop stricken. In den Kühlvitrinen werden Wurst und Käse angeboten. Eine Reihe weiterer Lebensmittel machen den Talmarkt auch zu einem Nahversorger. Und Jans hat bereits die nächste Idee: „Wir planen einen Onlineshop mit Zustellung.“