Kekse und Kojen für Obdachlose
„Ich war vor zwei Jahren das erste Mal hier und nun wieder“, sagt die 21-jährige Katharina. Das Notquartier Nordlicht im 22. Wiener Gemeindebezirk ist momentan ihr Zuhause, sie schläft in einer Koje. Katharina sagt, sie habe ihre Wohnung verloren. „Meine Kinder werden derzeit vom Jugendamt betreut“. Mehr möchte sie von ihrer privaten Situation heute nicht erzählen. Nur so viel noch: „Wenn ich wieder kann, werde ich mir einen Job suchen. Mir ist egal, was ich arbeite. Und dann will ich meine Kinder zurückholen. Ich muss mein Leben wieder in Ordnung bringen, damit sie wieder zu mir dürfen.“
Das Notquartier und Tageszentrum Nordlicht der Volkshilfe bietet 100 Schlafplätze für obdachlose Menschen. 80 Männer und 20 Frauen können hier übernachten und zur Ruhe kommen. Jetzt im Winter ist die Notschlafstelle voll. Einige bleiben nur ein paar Tage, andere ein paar Monate. „Vor allem ältere und kranke Menschen erhalten eine längere Zuweisung“, sagt Alena Mach, die das Haus leitet. Die Nutzer und Nutzerinnen kommen meist mit einer Zuweisung des P7, das ist das Wiener Service für Wohnungslose.
Essen, Medizin, Waschen
Ein Gang an den Männerkojen vorbei zeigt: Es sind auffallend viele Junge dabei. Männer in den 20ern und 30ern. Einer legt gerade sein Gewand akkurat zusammen, ein anderer hat ein Leintuch vor seine Koje gespannt, um das Gefühl eines eigenen Raumes zu erzeugen. Für die Länge der Zuweisung bekommt man im Nordlicht immer dasselbe Bett. „Die Nutzer können auch tagsüber in der Koje sein und haben einen Rückzugsort. So können sie sich darauf konzentrieren, wie es in ihrem Leben weitergehen soll. Es ist wichtig, dass sie nicht auch noch jede Nacht um einen Schlafplatz kämpfen müssen“, sagt Mach.
Ein Drittel der Menschen hier kennt Mach bereits gut. Denn sie kommen immer wieder. Mach und ihr Team sehen, wie diese Menschen körperlich und psychisch mit den Jahren abbauen. „Das ist bedrückend.“ Die 20 Schlafplätze für Frauen sind im unteren Stockwerk angesiedelt. Vor einem der Räume ist eine Kamera angebracht, damit die Frauen sehen, wer eintreten möchte. Außerdem haben sie eigene verschließbare Duschen und Waschräume. Auch LGBTQ-Personen sollen sich hier wohlfühlen können.
Die Frauenschlafplätze sind sehr gefragt. Sie seien dieses Jahr schnell belegt gewesen, erzählt Mach. Auch Frauen, die vor Gewalt geflüchtet sind, suchen hier Schutz. Einige werden danach in einem Frauenhaus unterkommen. Die Menschen hier werden mit dem Notwendigsten versorgt: Mahlzeiten, Medizin, Hygieneartikel. Vor allem Inkontinenzeinlagen würden sehr oft gebraucht. Den größten Mangel gebe es bei Elektrorasierern, Haarschneidemaschinen und Nagelzwickern. Aus Sachspenden wird auch Gewand ausgeteilt.
Und es gibt Gespräche. Einmal die Woche kommt eine Psychologin vorbei. In einem kleinen Raum können Suchtkranke ihre Spritzen kostenlos tauschen. Hochprozentiger Alkohol und Glasflaschen sind verboten, Bierdosen sind erlaubt. Man wisse, dass ein Teil der Menschen hier alkoholkrank sei, man verschließe nicht die Augen vor der Realität, sagt Mach.
Kälte und Stress
Das Tageszentrum ist heute voll mit Menschen, denn es werden Weihnachtskekse gebacken. Alena Mach ist natürlich dabei. Auch der 49-jährige Polak rollt Teig aus. Er schläft seit zwei Wochen im Nordlicht. „Wenn man wie ich in einer Krise steckt, dann hat man hier einen Ort, wo man ein bisschen entspannen kann. Man hat so viel Stress und draußen ist es kalt. Man kann sich das gar nicht vorstellen, wenn man das nicht erlebt hat.“ Polak ist gelernter Elektriker. „Ich habe zuletzt auf einer Baustelle gearbeitet und mich schwer verletzt. Also kann ich nicht mehr körperlich tätig sein. Ich brauche eine Umschulung.“
Leiterin Alena Mach erzählt, dass sie früher Flugbegleiterin war. In der Schwangerschaft studierte sie Psychologie und Soziale Arbeit. Sie sagt, sie würde ihren Job nicht mehr tauschen wollen. „Das war die beste Entscheidung“.
Immer geöffnet
Das Notquartier ist in der kalten Jahreszeit täglich, Montag bis Sonntag, rund um die Uhr geöffnet
Zielgruppe
Die Angebote des Notquartiers Nordlicht richten sich an akut wohnungslose, erwachsene Menschen, auch an jene, die mangels Reisepass bei vielen anderen Stellen nicht anspruchsberechtigt sind
Sachspenden
Abgabe beim Tageszentrum Nordlicht unter der Adresse:
Dr.-Otto-Neurath-Gasse 1, 1220 Wien
Montag bis Freitag, 9–17.30 Uhr