K.-o.-Tropfen: Immer öfter junge Frauen als Opfer
Die Zahl der Vorfälle mit K.-o.-Tropfen steigt weiter an. Allein im ersten Halbjahr 2013 gab es 49 schwere Straftaten im Zusammenhang mit Liquid Ecstasy. Das geht aus einer parlamentarischen Anfrage des BZÖ an Innenministerin Johanna Mikl-Leitner hervor. Bereits im Vorjahr gab es einen Rekord an Vorfällen. Damals waren es im gesamten Jahr 89 schwere Straftaten. Das dürfte heuer übertroffen werden.
Dramatisch: Vor allem minderjährige Mädchen werden gezielt zu Opfern schwerer Straftaten. Waren es 2011 noch drei, 2012 fünf, so sind es allein im ersten Halbjahr 2013 bereits zehn Mädchen unter 18 Jahren, die betäubt wurden.
Dabei ist die Dunkelziffer wohl enorm hoch. In Internetforen sind zahlreiche Berichte von Opfern zu finden, die niemals Anzeige erstattet haben. Dabei muss das rasch geschehen, denn die Droge ist nur drei bis acht Stunden im Blut und 12 Stunden im Urin nachzuweisen. „Leider werden sehr viele Verfahren eingestellt, weil die Beweise fehlen“, sagt Ursula Kussyk vom Verein „Notruf“. Gleiches gilt auch für einen vermutlichen Mordversuch in Krems. Ein Chemiestudent soll der neuen Lebensgefährtin des Vaters im Vorjahr Liquid Ecstasy ins Getränk gegeben haben. Die Frau kam ins Spital und wurde gerettet – doch es konnte keine Substanz mehr nachgewiesen werden. Prozess gab es deshalb bis heute keinen.
Auch aus Scham trauen sich viele Opfer, vor allem von Vergewaltigungen, nicht, zur Polizei zu gehen. Viele wissen oft gar nicht mehr, was eigentlich passiert ist. In München gab es dazu den bisher aufsehenerregendsten Fall: Vier Burschen hatten ein junges Mädchen nach dem Oktoberfest betäubt und abwechselnd vergewaltigt. Das flog nur deshalb auf, weil ein Bursche Handyfotos gemacht hatte und die Polizei bei Drogenermittlungen darauf gestoßen war. Trotz Suche via Medien blieb das 17-jährige Opfer lange unauffindbar, es meldete sich erst, als bereits die Gerichtsverhandlung begonnen hatte.
Einen Vergewaltigungsversuch hat es in Österreich zuletzt auch beim Surf-Weltcup in Podersdorf gegeben. Einer jungen Oberösterreicherin wurden K.-o.-Tropfen ins Getränk geschüttet.
Experten raten, keine offenen Drinks von Fremden anzunehmen. Liquid Ecstasy hat auch mit den Ecstasy-Tabletten nichts gemeinsam, es wurde von Dealern aus Marketingzwecken so genannt. GHB und GBL, wie die Stoffe heißen, machen extrem süchtig. Abhängige sprechen davon, dass der Entzug nur äußerst schwer gelingt.
Zwischen 0,5 und 1,5 Gramm wirkt es aufputschend,
bis 2,5 Gramm aphrodisierend und ab 3,5 komatös bis tödlich. Bekannt ist GHB als „Liquid Ecstasy“ oder „Fantasy“. In Österreich ist Besitz, Handel sowie Ein- und Ausfuhr strafbar und wird mit Geld- oder Freiheitsstrafen geahndet.
GBL, BDOAls Ersatz für GHB wird das legale Mittel GBL (Felgenreiniger) und vereinzelt auch BDO verwendet. In der Drogenszene spielt beides eine eher kleine Rolle.
Im Jahre1874 entdeckt der russische Chemiker Alexander Saytzeff den Stoff Gamma-Hydroxybuttersäure, kurz GHB. Erst später, im Jahr 1961, startet die französische Marine ein Forschungsprogramm und der Pharmakologe Camille Wermuth entdeckt, dass GHB als Narkotikum eingesetzt werden kann, speziell bei Geburten. Später wird es für Alkoholkranke als Entzugsmittel eingesetzt. Auch bei Sportlern kommt es zum Einsatz. Es fördert die Wachstumshormone und die Leistungsbereitschaft, und ist deshalb ein Dopingmittel. Ende der 1970er-Jahre wird es wegen seines hohen Suchtpotenzials allerdings immer weniger verwendet.
Ab etwa 1990 gelangt GHB in die englische und amerikanische Clubszene. Auch in der Homosexuellenszene wird es wegen seiner sexuell stimulierenden Wirkung eingesetzt. Gegen Ende der 1990er-Jahre tauchen erste Berichte auf, dass GHB in den USA als sogenannte Date-Rape-Droge eingesetzt wird. Durch diese könne man sein Gegenüber bei höherer Dosierung für Vergewaltigungen betäuben.
2001 und 2002 wird GHB in die Betäubungsmittelgesetze in Mitteleuropa aufgenommen. Doch GHB kann auch im Körper selbst hergestellt werden, wenn y-Butyrolacton (GBL) zuvor konsumiert wurde. GBL lässt sich nicht verbieten, da es in Felgenreiniger oder Nagellackentferner vorkommt. Allein in Deutschland werden pro Jahr 50.000 Tonnen davon verkauft. Im Internet kostet ein Liter 55 Euro, wobei eine berauschende Wirkung ab 0,5 Milliliter beginnt.
2009 wird Liquid Ecstasy in Österreich durch einen Vorfall bei einem Clubbing am Gürtel bekannt. Fünf Partygäste schwebten in Lebensgefahr. Zunächst hieß es, dass ihnen GBL heimlich ins Getränk geschüttet wurde – doch sie dürften es freiwillig konsumiert haben.
Im April 2013 gibt es die erste offizielle Liquid-Ecstasy-Tote. Nathalie D. (27) starb, nachdem sie aus einer Mineralwasserflasche irrtümlich GBL getrunken hatte.