Chronik/Österreich

Justiz räumt in eigenen Reihen auf

Diese Woche hat die Justiz alle Hände voll zu tun, um in den eigenen Reihen aufzuräumen: Am Montag wird beim Obersten Gerichtshof die Testamentsfälscher-Affäre im Bezirksgericht Dornbirn abgeschlossen (siehe Zusatzbericht unten). Ab Dienstag sitzen 13 suspendierte Justiz-Mitarbeiter auf der Anklagebank, die auf Bestellung und gegen ein ansehnliches „Körberlgeld“ geheime Daten verkauft haben sollen.

Der wegen Anstiftung mitangeklagte Chef einer Kreditauskunftei hat laut Staatsanwalt mit den Daten zwischen 2002 und 2010 einen Erlös von vier Millionen Euro gemacht. Der von Rudolf Mayer verteidigte 67-jährige Josef H. besitzt eine Eigentumswohnung in Wien, eine Villa und ein sattes Sparguthaben. Den insgesamt 14 Angeklagten drohen bis zu fünf Jahre Haft.

Abfragen im Register der Justiz

Schon in den 1980er-Jahren beschäftigte H. für seine Firma Kreditinform sogenannte Melder, die auf den Amtstafeln der Bezirksgerichte ausgehängte Informationen über Exekutionsverfahren sammelten und an ihn lieferten. Das war mühsam und mangels genauerer Angaben, die sich für Bonitätsprüfungen verwerten lassen, unergiebig. Daher köderte H. die Gerichtsbediensteten mit besserer Bezahlung von bis zu 130.000 Euro pro Kopf, Abfragen im elektronischen Register der Justiz zu tätigen.

Gerichtsvollzieher, Kanzleileiterinnen, Rechtspfleger, Beglaubigungsbeamte in ganz Österreich druckten insgesamt zwei Millionen Datensätze über rund 200.000 Personen aus, gegen die irgendwann ein Exekutionstitel erwirkt bzw. Exekution geführt worden war. Und zwar mit Namen, Geburtsdaten, Adressen der verpflichteten Parteien sowie der jeweiligen Gläubiger (heute geht das nicht mehr so leicht und unbemerkt). Pro Seite, auf der sich bis zu 25 solcher Datensätze befanden, bekamen die Justiz-Mitarbeiter 1,5 Euro.

Josef H. verkaufte die Daten an Handybetreiber und Wirtschaftsauskunfteien, die damit Risikoüberprüfungen vor dem Abschluss neuer Geschäftsbeziehungen oder Verträge durchführten. Kunden bekamen aufgrund dieser Daten keinen Handyvertrag oder Kredit, auch wenn die Exekutionsführung gegen sie aus dem Jahre Schnee stammte, zu Unrecht erfolgt oder überhaupt ein Irrtum war.

Einer der Betroffenen ist der BZÖ-Europa-Abgeordnete Ewald Stadler. Er wollte für seine Kinder Handyverträge abschließen und wurde im Geschäft eines Mobilfunkbetreibers – zum Gaudium der gerade anwesenden anderen Kunden – für nicht kreditwürdig eingestuft. Der Mobilfunkbetreiber verfügte über geheime Justizdaten, aus denen sich ein längst erledigter Exekutionsantrag gegen Stadler in seiner früheren Funktion als Präsident der Freiheitlichen Akademie ergab. Stadler erstattete Anzeige. Nachdem auch noch eine ehemalige Mitarbeiterin von Josef H. auspackte, flog die im Innersten der Justiz angesiedelte Datenaffäre auf.

Die Opfer, deren Datenschutz verletzt wurde, könnten an dem mehrwöchigen Korruptionsprozess als Privatbeteiligte teilnehmen und damit den Großen Schwurgerichtssaal im Grauen Haus in Wien sprengen. Die Gefahr ist jedoch gering. Die Meldeauskünfte über Tausende Personen und deren postalische Verständigung würde den Gerichtsbetrieb lahmlegen. Deshalb wurden potenzielle Opfer über die Ediktsdatei des Justizministeriums (www.edikte.justiz.gv.at) informiert, über die man allerdings in der Regel nicht so leicht stolpert. Gemeldet hat sich bis jetzt – wen wundert’s? – eine Person.

Am Schluss ortete der Salzburger Prozessvorsitzende, der über die Machenschaften im Bezirksgericht Dornbirn urteilen musste, ein „horribles Unrechtsbewusstsein“: Das Winkelschreiben sei für jeden dort normal gewesen. Die daran beteiligte suspendierte Vizepräsidentin des Landesgerichts Feldkirch, Kornelia Ratz, bezeichnete Richter Andreas Posch als eine, „die ihre Ellbogen einsetzt und sich nimmt, was sie möchte.“ Dafür setzte es – nicht rechtskräftig – zweieinhalb Jahre teilbedingte Haft, zehn Monate davon unbedingt.

Dieses und weitere beeinspruchte Urteile in der Vorarlberger Testamentsfälscher-Affäre stehen heute, Montag, beim Obersten Gerichtshof auf dem Prüfstand. Darunter auch die sieben Jahre Haft für den Hauptangeklagten, den suspendierten Geschäftsstellenleiter des Bezirksgerichts Dornbirn. Von 2001 bis 2008 waren in (mindestens) 18 Verlassenschaftsverfahren 16 Testamente und zwei Schenkungen manipuliert worden. 510 Testamente fehlen aus dem Archiv. Die Gerichtsbediensteten hatten dadurch sich selbst und ihre Angehörigen bereichern wollen. Bei Richterin Ratz sollen es die Mutter und die Tante gewesen sein. Mehr als 80 rechtmäßige Erben wurden um insgesamt zehn Millionen Euro geprellt.