Chronik/Österreich

Interview: Hygiene-Wettstreit zwischen Spitälern

Lange Wartezeiten und hygienische Probleme in den Spitälern, Missbrauchsvorwürfe in einem Pflegeheim in Niederösterreich und Debatten über eine mögliche Zusammenlegung der Krankenkassen: Gerald Bachinger, Sprecher aller Patientenanwälte in Österreich, sieht dringenden Handlungsbedarf im Gesundheitswesen.

KURIER: Wegen Überlastung musste zuletzt die Notaufnahme im Uniklinikum St. Pölten drei Stunden lang gesperrt werden. Beunruhigt Sie das?

Gerald Bachinger: Ich glaube, der Anlass ist nicht akut, um beunruhigt zu sein. Ich kenne das aus Wien, da kommt so etwas öfters vor, in NÖ war es das erste Mal. Aber es sind eindeutig "Symptome", die zeigen, dass man rechtzeitig reagieren muss und nicht darauf warten darf, bis das Problem riesengroß ist.

Lange Wartezeiten kommen auch bei Operationsterminen in den Spitälern immer öfter vor, sind die gerechtfertigt?

Bei Augen-Operationen sind zwölf Monate eindeutig zu lange. Der betroffene Patient braucht nur in dieser Zeit zu stürzen, dann kommt er dem System gleich deutlich teurer. Es gibt Bereiche, in denen man OP-Kapazitäten ausweiten muss, in anderen sind Wartezeiten zumutbar. Viel beunruhigender ist für mich, dass laut einer Studie hochgerechnet 2400 Menschen pro Jahr österreichweit bei Aufenthalten in Spitälern an Infektionen sterben.

Achten die Krankenhäuser zu wenig auf die Hygiene?

Österreich selbst hat enorm viel zur Verbesserung der Krankenhaushygiene getan. Eine neue Rahmenrichtlinie zur systematischen Erfassung von Krankenhauskeimen macht es möglich, dass bislang kaum vergleichbare Kontrollsysteme und Ergebnisse erstmals vergleichbar gemacht werden. Ich werde einfordern, dass diese aufbereiteten Vergleiche auch öffentlich werden. Wo die Zahlen tatsächlich schlecht sind, werden die Patienten schlicht und einfach ausbleiben.

Sie wirken besorgt?

Ja, weil banale Maßnahmen wie das Händewaschen bei immer noch 50 Prozent aller Abläufe in Spitälern nicht eingehalten werden. Daher können Keime schon bald zum größten Qualitätskiller im Krankenhaus-Alltag werden. Schon alleine wenn das Personal die Hände desinfizieren würde, ließen sich 40 Prozent der Spitalsinfektionen vermeiden.

Welche Maßnahme wäre daher besonders wichtig?

Wichtig wäre, Patienten aktiver in Behandlungen einzubeziehen. Sie sollten den ärztlichen und pflegerischen Maßnahmen nicht blind vertrauen, sondern diese kritisch und – natürlich sozial verträglich – hinterfragen.

Thema Pflegeheim-Skandal in Kirchstetten: Ein medizinischer Gutachter hat keine Missstände bei der Betreuung der Bewohner festgestellt. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft die Exhumierung der Leichen zweier inzwischen verstorbener Bewohner veranlasst und wartet auf die Ergebnisse. Was sagen Sie dazu?

Es war von vorn herein klar, dass ein medizinischer Gutachter mehr als ein Jahr nach Bekanntwerden der Missbrauchsvorwürfe bei den betroffenen Bewohnern nichts mehr feststellen kann. Er hat nur die Pfleglinge untersucht. Das war ein Schuss ins Leere und der völlig falsche Ansatz. Gerade wenn es einen Missbrauchsverdacht gibt, muss man auf Verhaltensänderungen bei den Bewohnern achten. Dafür gehören die neuen Pfleger befragt. Die freigestellten Pfleger sind für mich sicher nicht entlastet, weil es genügend Beweise gibt. Es ist erfreulich, dass die Staatsanwaltschaft mit der Exhumierung Aufklärung in dem Fall haben will.

Was muss sich im Pflegebereich für die Zukunft ändern?

Der Skandal hat auch gezeigt, dass sich die Behörden untereinander besser abstimmen müssen. So wie beim Ärztegesetz muss es auch im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz eine Regelung geben, um ein vorläufiges Berufsverbot auszusprechen, damit man die Verdächtigen aus dem Verkehr ziehen kann. Die Staatsanwaltschaft muss eine verpflichtende Verständigung an die Bezirkshauptmannschaft weitergeben, die das zu beurteilen hat.

Die Koalitionsverhandler von ÖVP und FPÖ diskutieren über eine Zusammenlegung der Krankenkassen. Ist sie sinnvoll?

Zwar wissen wir nicht genau, was hinter verschlossenen Türen verhandelt wird, aber aus meiner Sicht sollte man diese Gelegenheit beim Schopf packen. Es geht nicht um die Verwaltungskosten, sondern vorrangig um eine längst fällige Leistungs- und Honorarharmonisierung. Da sind große Einsparungspotenziale vorhanden, wie etwa bei Kassenplanstellen, der Umsetzung von Primärversorgungszentren oder Diabetes Management. Ein Anfang wäre schon getan, wenn man die Gebietskrankenkassen zusammenlegen würde, weil sich diese Fusion noch am leichtesten umsetzen lässt. Der Idealfall wäre die Finanzierung aus einer Hand, für die es durchaus auch föderale Lösungen gibt.