Chronik/Österreich

Ex-Schubhäftling als Top-Polizist

Da konnte sich Polizist Herbert Schwarz, 42, das Schmunzeln nicht mehr verkneifen. „Vor Gericht meinte eine Anwältin kürzlich zu mir, dass ich doch keine Ahnung habe, wie es sei, in der Schubhaft zu sitzen.“

Dabei weiß das der Revierinspektor wie kein anderer Polizist in Österreich. Mit acht Jahren war Schwarz genau in dieser Situation, in die er mittlerweile selbst Hunderte Menschen gebracht hat. Dass er in dieser Woche im Wiener Rathaus als Polizist des Jahres ausgezeichnet wurde, auch weil er Menschen in Schubhaft brachte, klingt zunächst skurril. Doch wer die Lebensgeschichte des Polizisten mit dem sozialen Herzen kennt, der versteht, warum sich der Kreis damit erst richtig schließt.

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Ein Rückblick: Im Februar 1978 steht der achtjährige Herbert mit seiner Mutter Ilse und vier Geschwistern auf der Straße – am Grenzübergang bei Freilassing. Das gesamte Hab und Gut der Familie liegt in fünf Pappkartons, die sie rasch zusammenpacken mussten, als die Polizei vor der Türe stand.

Seine Mutter hatte sich zwei Jahre zuvor scheiden lassen und konnte die Bürgschaft für einen Kredit nicht begleichen. Deshalb wurde sie mitsamt der Familie in Schubhaft genommen und aus Deutschland abgeschoben. Denn damals gab es keine EU und keinen Schengen-Raum. Schwanger mit ihrem sechsten Kind stand Ilse Schwarz mittellos da.

„Wir konnten ein paar Tage auf einem Gendarmerieposten übernachten“, erinnert sich der 42-Jährige. „Die Beamten waren alle sehr freundlich zu uns. Das versuche ich nun umgekehrt auch bei Betroffenen zu sein.“

Im SOS-Kinderdorf

Wenig später landete Herbert Schwarz im SOS-Kinderdorf Moosburg in Kärnten. Schon bald war ihm klar, wie seine Zukunft aussehen sollte: „Mein Traumberuf war Pfarrer“, erzählt er. In der Diözese St. Pölten machte er die Matura nach, anschließend studierte Schwarz Theologie. Der Weg zum Priester schien vorgezeichnet. Doch die Wege des Herren sind manchmal unergründlich. „Nach einem Jahr war mir klar, dass es nicht das ist, was ich mir vorgestellt habe“, berichtet er. Nach einem Ausflug zum Bundesheer und als UNO-Soldat auf die Golan-Höhen sattelte er auf Polizist um. „Ich hatte Freunde bei der Gendarmerie und war damals 29. Das Maximalalter lag bei 30, es ging sich gerade noch aus, dass ich die Polizeischule beginnen durfte.“

175 Festnahmen

Seit nunmehr elf Jahren ist Schwarz in Wien-Rudolfsheim im Einsatz, derzeit in der Polizeiinspektion Storchengasse. In seiner Freizeit singt er selbst getextete Austropoplieder und erfreut als Hobby-Polizeikarikaturist seine Kollegen. Seine Schwerpunkte bei der Polizei sind die Zustellung von Asylbescheiden und Überstellungen von Fremden in die Schubhaft. 175 Festnahmen gelangen ihm im vergangenen Jahr. Darunter waren auch Drogendealer, Räuber, Mitglieder von Bettlerbanden und Zuhälter.

"Ich sehe immer das Gute im Menschen, und uns geht es ja um die Hintermänner"


Die hohe Zahl an Festnahmen ist nur einer der Gründe, warum Schwarz zum Polizisten des Jahres gewählt wurde. Auch 74 Ausländer-Massenquartiere, bewohnt von Bettlern, Prostituierten und in die Illegalität abgetauchten „U-Booten“, hat er ausgehoben. „Das sind im Grunde arme Menschen, die vielfach unter erbärmlichsten Umständen leben. In den Quartieren gibt es keinen Strom und keine Nassräume. Die kommen oft aus armen Dörfern“, berichtet Schwarz von seinem Alltag. „Ich sehe immer das Gute im Menschen, und uns geht es ja um die Hintermänner.“ Dabei benötigt man viel Einfühlungsvermögen, damit Prostituierte oder Bettler diese verraten. Ideal für einen Beamten mit einer sozialen Ader.

Der Weg vom Schubhäftling zum Polizisten stellt deshalb für den sympathischen Revierinspektor keinen Widerspruch dar: „Polizist ist ein sozialer Beruf, davon bin ich felsenfest überzeugt.“