Chronik/Österreich

Grenzwerte seit April überschritten

Knalleffekt im Kärntner Hexachlorbenzol-Umweltskandal: Vor dem U-Ausschuss in Klagenfurt sagte am Mittwoch ein hoher Landesbeamter aus, dass es bereits im April 2014 Grenzwertüberschreitungen in Rohmilch-Proben gegeben hätte.

Bisher ließ man die Bevölkerung im Glauben, im Görtschitztal seien bis 24. November 2014 lediglich erhöhte HCB-Werte, aber keine Grenzwertüberschreitungen festgestellt worden. Albert Kreiner, Leiter der Abteilung für Abfallbewirtschaftung und seit November HCB-Krisenkoordinator des Landes, ließ vor dem Ausschuss in einem Nebensatz fallen: "Meinen Informationen zufolge gab es bereits im April Grenzwertüberschreitungen." Auf spätere Nachfrage des KURIER konkretisierte er, dass diese Werte sich auf Rohmilchproben vom 2. April 2014 aus der Molkerei Sonnenalm beziehen. "Zwei Lieferanten waren betroffen." Die Molkerei erstattete Selbstanzeige, das Land sah keine Veranlassung, die Bevölkerung zu informieren. Geprüft wurden Heu-, Milch- und Bodenproben; nie aber Emissionen des w&p-Zementwerks.

"Kontrollen möglich"

Kreiner sei erst am 6. November mit Ergebnissen konfrontiert worden. Er geht mit der Umweltabteilung hart ins Gericht: Deren Leiter, Harald Tschabuschnig, hatte ausgesagt, seine Mitarbeiter bräuchten für Umweltuntersuchungen einen Behördenauftrag. Das stimme nicht, entgegnete nun Kreiner. Die Abteilung könne auch von sich aus Kontrollen machen. Tschabuschnigs Ehefrau wurde am Mittwoch ebenfalls vor den Ausschuss zitiert. Es handelte sich um Maria-Luise Mathiaschitz (SPÖ) und sie war den zweiten Tag als Klagenfurter Bürgermeisterin im Amt. Sie hatte 2003 als Umweltmedizinerin des Landes ein UVP-Gutachten für das Zementwerk w&p erstellt. "HCB und Blaukalk waren damals kein Thema", gab sie sich "verwundert, einvernommen zu werden."

Für Diskussionen sorgte die Tatsache, dass Mathiaschitz Ende November als damalige Umwelt-Stadträtin die Schulmilch-Aktion in Klagenfurt stoppte, ehe im Handel bei Sonnenalm-Produkten Grenzwertüberschreitungen festgestellt wurden. "Welche Informationen haben sie im Vorfeld (vom ihrem Ehemann, Anm.) erhalten", lautete die Frage? "Gar keine", antwortete Mathiaschitz, bevor sie aufgeklärt wurde, dass sich die Frage nicht auf ihre bis 2003 währende Amtszeit als Landesbedienstete bezog und sie nicht aussagen müsse. Daraufhin schwieg sie.

Bescheid in zwei Tagen

Thema war außerdem ein Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Veit aus dem Jahr 2011, mit dem eine Kapazitätserhöhung der Klinkerproduktion genehmigt wurde. Klaus Pletschko, der ihn ausgestellt hat, betonte, dass er nur für die Verwertung von Rohstoff gelte. "Also nicht für kontaminierten Blaukalk." Der Bescheid sei dem Land nicht übermittelt worden, nur eine Messung der Emissionen wurde vorgeschrieben. Detail am Rande: "w&p" hat die Erweiterung der Produktion am 27. Juni 2011 beantragt, der Bescheid erging bereits am 29. Juni.

Nicht nur der HCB-U-Ausschuss selbst birgt immer wieder Überraschungen, sondern auch die Aktivitäten der Mitglieder. Laut Aussagen des in der Causa HCB ermittelnden Staatsanwaltes, Helmut Jamnig, versuchte U-Ausschussmitglied Michael Johann, Grüne, ihn zu einem "Info-Deal" zu überreden.

Rechtsbeistand Dietmar Pacheiner hat dem U-Ausschuss gestern, Mittwoch, in der internen Sitzung einen Aktenvermerk übergeben, in dem es heißt: "EStA Dr. Jamnig teilt mit, dass er von DI Michael Johann kontaktiert worden sei, der ihm angeboten habe, gegenseitig Unterlagen, Untersuchungsergebnisse und Informationen auszutauschen. Er habe dies jedoch abgelehnt."

Wäre der Staatsanwalt auf Johanns Vorschlag eingegangen, hätte er sich möglicherweise selbst strafbar gemacht.

U-Ausschuss-Vorsitzender Wilhelm Korak (BZÖ) bezeichnete die Vorgangsweise Johanns als "strafrechtlich grenzwertig." Für FPÖ-Klubobmann Christian Leyroutz ist Johann bereits der "Anstiftung zum Bruch des Amtsgeheimnisses überführt." Er fordert die Abberufung Johanns aus dem U-Ausschuss. Hartmut Prasch (Team Kärnten) verlangt, dass von den "Grünen umgehend Konsequenzen gezogen werden."

Johann konterte, er habe "im Jänner Kontakt mit der Staatsanwaltschaft aufgenommen, um Informationen zu übermitteln, die für das Verfahren wegen vorsätzlicher Umweltgefährdung von Relevanz sein" könnten. Die Staatsanwaltschaft habe auf die Möglichkeit der Einbringung einer schriftlichen Sachverhaltsdarstellung verwiesen. Eine solche werde seitens des Grünen Klubs vorbereitet.