Chronik/Österreich

Haubner: "Jörg Haider posthum zu kriminalisieren, ist unfair"

KURIER: In zwei Monaten jährt sich der Todestag Ihres Bruders zum vierten Mal und Ihre Mutter hat 94. Geburtstag – wie begeht die Familie Haider diesen Tag?

Ursula Haubner: Wir haben gerade erst einen großen Familienfeiertag gehabt, weil der zweite Enkel meines Bruders ein Jahr alt wurde – das ist ja das Schöne, wenn jemand aus der Familie geht, kommen Kinder nach. Am 10. Oktober werden wir im Rahmen einer Messe in Kärnten des Todestages gedenken.

Die Beziehung der großen Schwester zum ehrgeizigen Bruder, wie war die?

Am Anfang gab’s Jugendstreitigkeiten, wie das unter Geschwistern ganz normal ist. Aber mit zunehmendem Alter haben wir uns immer besser verstanden, vor allem, als jeder seinen beruflichen und politischen Weg gegangen ist. Ich habe den meines Bruders verfolgt, mich in der Familie dazu geäußert, positiv und auch kritisch, und dadurch sind wir zu sehr guten und gleichwertigen Partnern geworden.

Wenn Sie vom Zerfall des "Systems Haider" lesen: Ärgern Sie sich, oder denken Sie: "Mein Gott, Jörg, was hast du da gemacht?"

Warum spricht man von einem "System Haider"? Das wird seit Wochen absolut negativ transportiert, kriminalisiert. Für mich ist das System Haider ein sehr erfolgreiches für Kärnten – ich denke an die ersten gemeinsamen Schulen in Kärnten, Lehre mit Matura, Gratiskindergärten ...

Na, wirtschaftspolitisch war es nicht so erfolgreich.

Auch wirtschaftspolitisch, etwa im Bereich der Ansiedlungen innovativer Betriebe oder im Tourismus. Der Jörg Haider hat immer im Blick gehabt, was den Menschen hilft. Und wenn Sie mit den Bürgern reden, bekommen Sie auch zu hören: Dass Haider jetzt für alles verantwortlich gemacht wird, ist nicht in Ordnung. Zu Lebzeiten konnte er sich wehren, aber ihn posthum zu kriminalisieren ist unfair und wird seiner Politik nicht gerecht. Dagegen verwahre auch ich mich. Natürlich darf man nichts zudecken, wenn etwas auftaucht ...

Es ist was aufgetaucht, etwa Parteienfinanzierung über ein Millionenhonorar.

Das sind Vorwürfe und Unterstellungen. Plötzlich steht außer Streit, was der Herr Birnbacher und der Herr Martinz sagen, die vier Jahre ganz etwas anderes gesagt haben. Und eines steht außer Streit: Jörg Haider hat selbst kein Geld genommen, das BZÖ auch nicht.

Warum sollten sich Birnbacher, Martinz belasten?

Die hätten vier Jahre Zeit gehabt, sich von ihrer schweren Last zu befreien. Ich frage mich: Warum jetzt und wem nützt es?

Und wem?

Ich weiß es nicht. Vielleicht will man das positive System Haider in Kärnten endgültig zerstören.

Wem bringt das etwas?

Am ehesten den politischen Mitbewerbern.

Aber bei allem Respekt: Das BZÖ spielt in Kärnten ohnehin keine Rolle.

Das BZÖ geht mit Josef Bucher bundesweit einen sehr guten Weg. Wir sind nach der FPK-Abspaltung nicht im Landtag, aber das heißt nicht, dass wir keine Rolle spielen. Wir treten bei den Wahlen an und werden erfolgreich sein.

Können Sie sich vorstellen, dass sich Ihr Bruder nicht zur Bereicherung, aber für den politischen Erfolg über das Gesetz gestellt haben könnte?

Jörg Haider war Jurist und hat sich immer an die Gesetze gehalten ...

Immer? Da wären zum Beispiel die Sprüche des Verfassungsgerichts in Sachen zweisprachige Ortstafeln ...

Da hat er damals eine Lücke gefunden. Wobei ich froh bin, dass es jetzt eine gute Lösung gibt.

Ist Parteienfinanzierung moralisch weniger verwerflich als persönliche Bereicherung?

Es ist gut, dass wir jetzt ein strengeres Parteienfinanzierungsgesetz haben, es hat keine klaren Spielregeln gegeben, auch wenn das vieles nicht entschuldigt.

Im Zentrum der laufenden Skandale stehen vor allem Menschen, die Ihrem Bruder einmal nahestanden, Grasser Meischberger, Scheuch, wie kommt das?

Grasser war seit 2002 Minister für die ÖVP. Und die Scheuchs haben ihren Charakter 2009 gezeigt (Wandlung vom Kärntner BZÖ zur FPK und zur Strache-FPÖ) . Nur, weil man einmal miteinander ein Stück des Weges gegangen ist, ist man nicht bis ans Lebensende für die Entwicklung des Menschen verantwortlich.

Also nur Zufall?

Jörg Haider hat als Politiker, der das herrschende Proporzsystem aufgebrochen und nach vorne geschaut hat, Menschen angezogen. Dass da immer welche dabei sind, mit denen man lieber nur ein kurzes Stück Weg geht, ist klar.

HC Strache sagt, Haider habe ihm zur Zeit der Parteispaltung ein Ministeramt angeboten im Tausch gegen Stillschweigen, etwa in Sachen Eurofighter-Deal.

Ich würde Herrn Strache raten, bei der Wahrheit zu bleiben. Es gab damals, ich war Parteiobfrau der FPÖ, sehr viel Gegeneinander statt Miteinander. Haider glaubte, wenn er Strache in Regierungsverantwortung einbindet, können wir wieder gemeinsam gehen. Ich und andere waren dagegen. Und mit den Eurofightern hatte das nichts zu tun, Haider war einer der größten Eurofighter-Gegner.

Was ist eigentlich vom politischen Vermächtnis Jörg Haiders geblieben?

Ich will das, was er an Ideen und Plänen auch schriftlich hinterlassen hat, aufarbeiten. In der Bevölkerung bleibt: Jörg Haider hat uns verstanden, hat sich getraut, etwas zu sagen, hat die Menschen gemocht. Er hat komplizierte Zusammenhänge einfach erklärt. Das kann heute niemand mehr.

Wenn Sie das Rad der Zeit zwölf Jahre zurückdrehen könnten: Was würden Sie Ihrem Bruder raten?

Dann hätte ich ihm damals gesagt: Lege nicht die Funktion des Parteiobmannes zurück.

Zur Person: Die ältere Schwester

Ursula Haubner ist die ältere Schwester Jörg Haiders. Die gelernte Koch- und Handarbeitslehrerin wechselte später in die oö. Landespolitik. In der ÖVP/FPÖ-Koalition wurde sie 2003 Staatssekretärin, 2005 Sozialministerin. Zu diesem Zeitpunkt war sie schon ein halbes Jahr Parteiobfrau der Freiheitlichen. Im April 2005 kam es zum Bruch zwischen Partei-Übervater Haider und Heinz-Christian Strache: Haider gründete das BZÖ. Er raste 2008 mit seinem Auto in den Tod, Haubner ist heute BZÖ-Abgeordnete im Parlament.

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