Chronik/Österreich

Gery Keszler: "Der Life Ball geht mir nicht am A....!"

KURIER: Herr Keszler, seit Ihrer Ankündigung, dass 2016 kein Life Ball stattfinden wird, brodelt die Gerüchteküche. Was hat nun in den letzten Wochen den Ausschlag für die Pause dafür gegeben?

Gery Keszler: Das war ein Prozess, der durch meine Rede und mein Outing bei letzten Life Ball ausgelöst wurde. In diesem sehr persönlichen Moment habe ich auch über die Zukunft des Life Balls nachgedacht. Aber weder ich noch der Life Ball schwächeln. Es ist vielmehr so, dass wir mit dem Tempo, in dem der Life Ball gewachsen ist, nicht mehr nachkommen. Das betrifft primär den wirtschaftlichen und strukturellen Bereich. In den letzten Jahren war zischen den Bällen mehr ein reagieren, statt ein agieren.

Was wollen Sie nun genau ändern? Wird der Life Ball das schrille Fest des Lebens bleiben. Oder kommt alles neu?

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Dafür ist es noch zu früh. Ich möchte in den nächsten Monaten alles hinterfragen, was die Botschaft, die kreative Gestaltung, aber auch das Fundraising betrifft. Wir werden ein Wirtschaftsberatungsunternehmen engagieren, das uns einige Monate coacht, damit wir für die nächsten Jahre gerüstet sind. Dann möchte ich für den Life Ball eine modernere, klarere Sprache finden. Der Ball ist spektakulär und in jeder Minute der Show ist das Thema HIV präsent, aber die Botschaften sind nicht mehr prägnant angekommen. Vielleicht hängt das auch mit der Selbstverständlichkeit zusammen, dass der Life Ball ohnehin schon eine fixe Institution ist. Oder auch mit der Reizüberflutung, die der Ball bietet. Dieses Facelifting funktioniert nur, wenn man ein wenig Luft zum Atmen hat.

Sie lassen sich nun wirtschaftlich beraten. Ist etwas an dem Gerücht dran, dass es für den Ball schwer war, Sponsoren zu finden?

Wir haben so viele Partner, wie niemand anderer. Die letzten vier Jahren waren die erfolgreichsten. Ich war in den letzten zwei Wochen in den USA und hatte eine Unzahl an Terminen. In den USA war der Life Ball bis jetzt in der New Yorker Nightlife Szene und bei den HIV/Aids-Hilfsorganisationen bekannt, doch jetzt werden wir auch von Institutionen wahrgenommen, die einen starken wirtschaftlichen Background haben. Nun ist der Moment gekommen, wo wir in den USA mit einem richtigen Image auftreten müssen, um mehr internationale Partner finden zu können.

Wie hat sich Ihr Leben seit dem Outing verändert?

Ich bereue den Schritt nicht. Er war genau zum richtigen Zeitpunkt gesetzt. Ich empfinde auch eine gewisse Erleichterung. Dadurch habe ich auch die Möglichkeit geschaffen, anders für den Life Ball zu agieren.

Warum kam das Outing erst nach so vielen Jahren?

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Dieser Schritt war wirklich schwer. Wenn man die Karte des Betroffenen ausspielt, dann kommen vielleicht manche Konzernchefs zu dir, klopfen dir auf die Schulter und sagen: "Du bist ein klasser Bursch und ich helfe dir". Aber der Mitleidseffekt birgt die Gefahr, dass die Bereitschaft zum Helfen auch wieder schnell verpufft. Ich wählte die sachliche Ebene, indem wir für die kreative Leistung am Ball Kooperationen eingingen, wo beide Seiten eine Leistung erbringen müssen. So konnte der nachhaltige Aufbau der Organisation gelingen. Jetzt aber ist die Marke Life Ball so stark, dass das Outing nicht kontraproduktiv war, sondern den Life Ball unterstützt. Und hoffentlich auch dazu beiträgt, die Werte des Balls wieder in den Vordergrund zu rücken.

Sie haben mir erzählt, dass der Life Ball Ihnen das Leben gerettet hat ...

Das ist wieder einer der typischen Keszler-Sager. Tiefe Inhalte im Leben zu haben, ist für jeden Menschen eine Energiequelle. Viel zu viele HIV-Betroffene haben durch Job-Verlust und Isolation die Lebensfreude verloren, bekamen Depressionen. Das habe ich unzählige Male erlebt. Das nennen ich das soziale Aids. Ich bin unendlich dankbar, dass ich durch meine Talente eine Aufgabe habe, die mich fasziniert und mich freut. Deswegen sind die Gerüchte lächerlich, dass mir der Life Ball am A.... geht. Natürlich schnauft man manchmal, wenn nicht alles glatt läuft. Der Ball wird mir nie am A.... gehen. Er ist mein Baby.

Obwohl Sie den Ball nie so viele Jahre organisieren wollten, wie es letztendlich wurden ...

Vor allem in den ersten Jahren des Life Balls habe ich oft angekündigt: "Das war jetzt der letzte Mal." Weil die Organisation des Balls wirklich an die Substanz geht. Man ist von Willkür abhängig, erlebt Neid vom Feinsten. Es ist einfach kein normaler Job. Ich musste erst lernen, mit all den Nebengeräuschen umzugehen. Früher war ich viel dünnhäutiger. Wenn ich heute darüber nachdenke, was mich früher aufgeregte, kann ich nur lachen. Aber gerade wenn man seinen Beruf zur Berufung macht, dann verletzt es dich, auch wenn du missverstanden wirst.

Die Pause passiert nicht aus gesundheitlichen Gründen?

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Nein, das ist Blödsinn. Meine Immunstatus ist überdurchschnittlich gut. Mittlerweile ist die Medizin so hervorragend, dass bei medizinischer Behandlung die Viruslast unter die Nachweisbarkeitsgrenze gebracht werden kann. Voraussetzung ist, dass man seine Medikamente regelmäßig einnimmt. So bleibt das Immunsystem erhalten, man erkrankt nicht an Aids. Deswegen ist es so wichtig, dass Menschen ihren Immunstatus kennen, um im Falle einer Infektion sofort eine entsprechende Behandlung zu bekommen. All das möchte ich in Zukunft noch besser kommunizieren. Denn genau diese Panikmacherei macht das Thema HIV so schwierig.

Sie könnten HIV also nicht übertragen?

Ich habe seit langer Zeit eine sogenannte negative Viruslast, damit ist das Übertragungsrisiko maximal minimiert. Dennoch bleibt nach wie vor die generelle Empfehlung zu safer sex aufrecht. Aber wenn ein Kondom platzen würde, so müsste der Partner keine prophylaktische Therapie einnehmen.

Kann man sagen, Sie sind geheilt?

Nein, das kann man bei HIV nicht behaupten. Diese Krankheit ist noch nicht heilbar. Das Virus kann durch korrekte medizinische Behandlung nicht mehr nachgewiesen werden. Doch das kann man nicht als Heilung bezeichnen. Aber dank der Medizin kann man mittlerweile ein fast genauso langes Leben führen wie ohne Infektion.

Sollten Sie es nicht schaffen, den Ball neu zu erfinden, haben Sie einen Plan B im Leben?

Ich bin am Anfang meiner neuen Ziele. Da mache ich mir keine Gedanken über einen Plan B. Die Formulierung "Ich werde den Life Ball neu erfinden" war unprofessionell. Denn das, was funktioniert, werde ich nicht zertrümmern. Von gewissen Dingen werden wir uns verabschieden, aber wir werden dem Ball nicht die Würze nehmen. Ich möchte auch von Jüngeren verstanden werden. Ich war 29 als ich den ersten Ball organisierte, und jetzt bin ich 52. Ich möchte nicht, dass der Ball mit mir älter wird. Hier werde ich mich zwingen, auf andere zu hören, denn der private Gery Keszler ist in gewisser Weise sehr altmodisch (lacht).