Chronik/Österreich

Ganzen Bergkamm vom Gletscher gekippt

8500 Kubikmeter Fels haben die Pitztaler Bergbahnen, wie berichtet, für die Verbreiterung eines wichtigen Skiwegs ohne Genehmigung beiseite geräumt und abgesprengt. 6500 Kubikmeter davon sind ins Tal gerutscht. Die illegale Bautätigkeit hatte eine behördliche Teilsperre des Skigebiets zur Folge, die auf absehbare Zeit wohl nicht aufgehoben wird. Die Wirtschaft im Pitztal befürchtet massive Ausfälle durch ausbleibende Gäste und einen nachhaltigen Imageschaden.

Verursacht wurde die Misere durch die Pitztaler Gletscherbahnen. Sie haben sich damit gerechtfertigt, dass sie davon ausgegangen sind, dass die Baumaßnahmen „im Rahmen der ordentlichen Instandhaltungsarbeiten“ möglich gewesen wären.

Die Dimension der entfernten Felsmassen ist beachtlich. Aufgeschüttet wären sie etwa so groß wie ein sechsstöckiger Wohnblock mit vier 100-Quadratmeter-Einheiten pro Etage. Wie groß der Eingriff am Gletscher war, belegt eine Foto-Analyse des KURIER, für die der Alpenverein Bilder von der zerstörten Stelle bereitgestellt hat.

Vorher, nachher

Ausgangspunkt ist eine Aufnahme aus dem März 2018 – also vor den Bauarbeiten, die im Frühjahr folgten. Dort, wo damals noch Skifahrer von der Bergstation der Wildspitzbahn auf dem Weg zu den Pisten an einer markanten Felswand vorbei gefahren sind, geht der Blick nun in die Tiefe.

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„Diese Rekonstruktion zeigt, dass es sich nicht um ein paar Steinbrocken handelt, die da durch die illegalen Sprengungen ins Natura-2000-Gebiet abgestürzt sind, sondern ein richtiger Bergkamm und Teil des horizontbildenden Grats“, sagt Tirols Landesumweltanwalt Johannes Kostenzer. Die Auswirkungen würden im UVP- oder Naturschutzverfahren entsprechend durch die Sachverständigen zu bewerten sein.

Wie berichtet, wird derzeit vom Land geklärt, ob es für den Eingriff ein UVP-Verfahren gebraucht hätte. Selbst wenn das nicht der Fall ist, muss die Bezirkshauptmannschaft Imst in einem Naturschutzverfahren über eine mögliche nachträgliche Genehmigung befinden. Eine Entscheidung könnte sich bis nach dem Winter dahin ziehen.

„Ich möchte gar nicht daran denken, was das heißen würde. Wirtschaftlich ist das für uns eine Katastrophe. Die Stimmung im Tal ist miserabel“, sagt Elmar Haid, Bürgermeister von St. Leonhard im Pitztal. Zur Vorgangsweise der Liftbetreiber meint er: „Wir sind froh, dass es die Gletscherbahnen gibt. Aber es gibt Spielregeln, an die sich alle halten müssen.“

Birgit Kantner von der Abteilung Raumplanung und Naturschutz beim Alpenverein fühlt sich an die Vergangenheit erinnert: „Es ist schwer zu glauben, dass die Pitztaler Bergbahnen von Instandhaltungsmaßnahmen ausgegangen sind, nachdem was sie schon vor zwölf Jahren gemacht haben.“

2006 haben die Bahnbetreiber am Pitztaler Gletscher illegal eine Talabfahrt errichtet, die später von der Politik als „Notweg“ genehmigt wurde. Eingriffe wie diese werden von Naturschützern besonders kritisch beäugt. „Gletscher genießen einen besonderen Schutz“, sagt Kantner.

Von der Foto-Analyse des abgerissenen Berggrats zeigt sie sich schockiert: „Anhand der Fotos ist das Ausmaß der Zerstörung noch erschreckender, als wenn man nur von Kubaturen hört. Und andere im Pitztal müssen das jetzt ausbaden. Aber es gibt Gesetzte, an die sich alle halten müssen.“

Die Causa fällt mitten in eine Debatte um die Auswüchse des Tiroler Tourismus und die Ausbaugrenzen von Skigebieten. Derzeit wird um das Seilbahnprogramm gerungen, das den Rahmen für Erweiterungen vorgibt.