Fall Larissa: 20 Jahre Haft und Einweisung
Die 21-jährige Larissa Biber war ein Zufallsopfer. „Es hätte auch jede andere sein können“, sagt Gerichtspsychiaterin Adelheid Kastner. Aber sie war gerade da, als den Angeklagten die aufgestaute Wut auf all diese undankbaren Frauen überkam, die ihn nicht zu schätzen wussten.
In der Nacht auf den 14. September 2013 würgte der 24-jährige Dominik W. seine Freundin bis zur Bewusstlosigkeit. Er hörte „ihr Röcheln, das mich bis heute verfolgt.“ Damit es aufhört, nahm er eine herumstehende Bodylotion und schüttete sie ihr in den Mund. Dann „stopfte er einen Socken nach“ (Staatsanwältin).
Rotgesehen
Es sei gewesen „wie in einem schlechten Film“, schildert der des Mordes angeklagte Dominik W. am Freitag im Landesgericht Innsbruck. Er habe „nur mehr rotgesehen“. Danach habe er auf seine eigenen Hände geschaut und sich gefragt, was mit ihm sei, er habe nie jemandem was zuleide getan. Es sei das Schlimmste, das er je erlebt habe. „Ich habe viel zerstört an dem Abend.“
Ob Larissa etwas beigetragen habe, dass die Situation so entgleist ist, wird der Angeklagte gefragt. Sie soll vor der Tat in Gesellschaft eines ihm Unbekannten besonders ausgelassen gewesen sein. „Ich möchte Larissa da nicht hineinziehen“, zeigt sich Dominik W. großzügig.
Die Gutachterin sagt, Larissa habe zu ihrem Tod selbst absolut nichts beigetragen. Der Angeklagte trage alle Motive und Gründe in sich, die es brauche, um jemanden umzubringen. Er habe wegen seines desolaten Elternhauses eine Beziehungssucht, aber keine Ahnung, wie eine Beziehung funktioniert. Die Psychiaterin empfiehlt wegen der Persönlichkeitsstörung dringend die Einweisung in eine Anstalt (unabhängig von der Strafe).
Nach der Tat fuhr Dominik W. zum Innufer und warf die Leiche in den Fluss. Er blieb mit dem Auto jedoch hängen, musste einen Abschleppdienst holen – und das wurde ihm zum Verhängnis. Denn die Auswertung seines gelöschten Handyspeichers verriet ihn. Davor hatte sich der Angeklagte an der Suche nach der vermissten Larissa beteiligt. Schließlich gestand er. Die Leiche wurde am 6. Oktober aus dem Inn geborgen.
Gegenüber Larissas Eltern, die in der ersten Reihe sitzen, drückt Verteidigerin Eva Kathrein das tiefe Bedauern der Eltern des Angeklagten aus. „Er hat zwei Familien zerstört“, sagte Larissas Vater vor der Verhandlung: „Sie hat die Liebe gesucht und den Tod gefunden.“
Das nicht rechtskräftige Urteil: 20 Jahre Haft plus Einweisung. Die Persönlichkeitsstörung wird als mildernd gewertet. 20 Jahre würden vielleicht manchen als zu wenig erscheinen, erklärt der Richter. Doch es gebe brutalere Morde und Täter, die heimtückischer vorgingen, hier müsse man nach oben Spielraum lassen.
Es ist ein schwerer Gang, den die Familie von Larissa Biber heute antreten muss. Noch einmal werden die Ereignisse vom vergangenen Herbst, die ganz Tirol in Atem hielten, schmerzhaft nach oben gespült. Dominik W. steht heute in Innsbruck vor Gericht. Die Anklage lautet auf Mord. Die Erwartungen von Larissas Vater, Johannes Biber, an den Prozess und seine Sicht der Ereignisse sind so subjektiv wie klar: "Ich erwarte, dass Dominik nie wieder die Möglichkeit bekommt, so eine schlimme Tat zu begehen. Er hat zwei Familien zerstört. Unsere und seine. Ich hoffe, dass er nie wieder aus dem Gefängnis kommt."
Larissa Biber ist am 14. September 2013 verschwunden. Auf Facebook wurde von Menschen, die die 21-Jährige gar nicht kannten, zu privaten Suchaktionen aufgerufen. Ihr Schicksal bewegte. "Wir sind zwei Wochen lang jeden Tag nach Innsbruck gefahren und waren bei den Suchaktionen dabei. Es war berührend, wie viele Menschen ihre ganze Freizeit geopfert haben, um Larissa zu finden", erinnert sich ihr Vater an jene bangen Tage zwischen Verzweiflung und Hoffnung.
Der 51-Jährige hatte von Anfang an das Gefühl, "dass wir Larissa nie mehr wiedersehen werden." Dieses Gefühl war ab dem Moment da, in dem er Dominik W. das erste Mal traf – 24 Stunden nach dem Verschwinden von Larissa, beim Aufgeben der Vermisstenanzeige. "Er war wie gelähmt. Ich dachte, dass er irrsinnige Angst hat. Da war ich mir ganz sicher, es ist etwas Schlimmes passiert", sagt Biber.
Funken der Hoffnung
12 Tage später gestand Dominik W., Larissa ermordet zu haben. Zunächst hatte der 24-Jährige behauptet, seine damalige Freundin sei aus seiner Wohnung in Rum gegangen und nicht mehr zurückgekehrt. Er beteiligte sich sogar an den Suchaktionen. Larissa Biber wurde bewusstlos gewürgt und erstickt, ihre Leiche im Inn versenkt. "Wir hatten nach dem Geständnis trotzdem immer noch einen kleinen Hoffnungsschimmer, dass sie doch wiederkommt."
Mehrfach wurde der Inn gründlich abgesucht, aber erst am 6. Oktober konnte Larissas Leiche aus dem Fluss geborgen werden. "Als Eltern und Geschwister hätten wir nie abschließen können, wenn sie nicht gefunden worden wäre", beschreibt Biber die Gefühlslage seiner Ex-Frau und der drei Schwestern des Opfers zur damaligen Zeit. Seither sind neun Monate vergangen. In der Zeit hat sich Johannes Biber immer wieder eine Frage gestellt: "Das Warum ist leider noch offen." Doch er glaubt auch nicht, dass es eine Antwort gibt. Gerade einmal drei Wochen haben sich Larissa und der Angeklagte gekannt. Biber ist überzeugt: "Es gibt kein Warum. Er hat einfach jemanden ermorden wollen." Ein Gerichtsgutachten attestiert dem mutmaßlichen Täter eine ausgeprägte Persönlichkeitsstörung mit neurotisch-narzisstischen Zügen, weshalb eine hohe Wahrscheinlichkeit weiterer Aggressionstaten bestehe. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Die Liebe gesucht
Das Bild, mit dem nach Larissa gesucht wurde, zeigt sie mit einem strahlenden Lächeln. Es ist ein Foto, das heute ganz Tirol kennt. Johannes Biber hofft, dass seine Tochter so in Erinnerung bleibt. "Es zeigt sie, wie sie wirklich war: freudig, lebenslustig, sehr sozial. Sie war immer für alle da. Larissa hat die Liebe gesucht und den Tod gefunden."