Chronik/Österreich

Geld retour für 21.000 ÖBB-Kunden

Im Zug von Wien-Westbahnhof nach Hamburg-Altona kam plötzlich Jubelstimmung auf. „Jawohl“ schrie eine Dame hocherfreut als der NachtzugHans Albers“ nach über 14 Stunden Fahrt am Zielbahnhof einrollte – mit 121 Minuten Verspätung. Das ließ die Herzen mancher Bahngäste höher schlagen. Einige zückten ihr Handy und fotografierten die Uhr am Bahnsteig, um diesen denkwürdigen Moment festzuhalten. Andere hatten bereits seit Stunden immer wieder ihre Armbanduhr mit dem Fahrplan verglichen oder sogar mit GPS am Handy verfolgt, ob der Zug tatsächlich mehr als zwei Stunden Verspätung aufreißen würde.

Grund für diese surreal anmutenden Szenen ist die seit 2009 gültige Fahrgast-Verordnung. Seither müssen die ÖBB für Verspätungen Geld an ihre Kunden zurückzahlen, ab einer Stunde gibt es 25 Prozent des Fahrpreises (inklusive Kosten für Schlafwagen, aber exklusive einem möglichen Auto-Transport am Zug) retour. Kommt der Zug mehr als 120 Minuten zu spät, muss bereits die Hälfte der Ticketkosten zurücküberwiesen werden. Das kann bei einer Fahrt im Liegewagen schon mal 100 Euro für zwei Personen ausmachen – und zu Jubelstimmung führen. Dabei ist es egal, ob es ein tatsächliches Verschulden der Bahn gibt oder höhere Gewalt wie zum Beispiel Hochwasser für die Verspätung gesorgt hat – die Entschädigung ist (zumindest in Österreich) immer fällig. Im Fall des Hamburg-Zuges war eine Baustelle in Deutschland der Grund für eine Umleitung gewesen.

21.000 bekamen Geld

Von Jahr zu Jahr steigt die Zahl der Passagiere, die ihr Geld zurückfordern. 2010 waren es noch 10.400 Fahrgäste, denen die ÖBB Entschädigung zahlen mussten, im Vorjahr dann schon 21.000 Kunden. 358.000 Euro wurden allein 2012 von den ÖBB ausbezahlt Heuer dürften es noch mehr werden, da die Bahn wegen des Hochwassers momentan viele zusätzliche Anträge zu bearbeiten hat.

In den Zügen gibt es jedenfalls schon echte Verspätungsprofis, die das zu einer Art Volkssport erhoben haben. „Bei der österreichischen Bahn ist das etwas mühsam, mit dem Geld Zurückbekommen, in Deutschland geht das rascher“, berichtet ein Reisender, der schon mehrere Hundert Euro auf diesem Weg kassiert hat.

Obwohl es immer mehr Ansuchen gibt, haben die ÖBB seit dem Start dieser Geld-zurück-Aktion bei der Pünktlichkeit vor allem im Fernverkehr deutlich zugelegt. 2009 waren nur knapp 68 Prozent der internationalen Züge rechtzeitig am Zielort, im Vorjahr bereits 86 Prozent. Im Nahverkehr stieg der Pünktlichkeits-Index von 92 auf 97 Prozent.

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Der Wiener Herbert Staudacher hatte plötzlich keine Monatskarte mehr. Die hatte ihm der Schaffner im S-Bahn-Zug in Breitenwaida, NÖ, nämlich einfach weggenommen. „Weil die Zonen nicht ausgefüllt waren“, sagt Staudacher.

Von den ÖBB gab es vorerst keine Reaktion. Staudacher wandte sich an die Schlichtungsstelle Schienen-Control – wie 985 weitere Personen im vergangenen Jahr. Nach zwei Wochen bekam er seine Karte zurück, plus Bahn-Gutscheine.

„Der Anstieg bei den Beschwerden beträgt 50 Prozent“, sagt Geschäftsführerin Maria-Theresia Röhsler. Fälle wie die des Informatikers sind häufig. „43 Prozent wenden sich wegen Strafen an die Schlichtungsstelle“, erklärt Röhsler. Dem folgen mangelnde und falsche Informationen, auf Platz drei folgen Beschwerden über Verspätungen und den Fahrplan.

775 Mal leitete die Schienen-Control ein Schlichtungsverfahren ein. „741 Verfahren wurden einvernehmlich beendet.“ Aktiv wird die Schlichtungsstelle allerdings erst, wenn der unzufriedene Kunde zuvor schon beim Bahnunternehmen abgeblitzt ist. „Die Fälle, die bei uns landen, sind nur die Spitze des Eisberges.“

86 Prozent der Züge im internationalen Fernverkehr sind im Vorjahr pünktlich am Zielbahnhof angekommen, zwei Jahre davor waren es nur 75 Prozent gewesen.

97 Prozent aller Bahnverbindungen im Nahverkehr sind pünktlich, das entspricht einer Steigerung um über fünf Prozentpunkte in den vergangenen vier Jahren.

358.000 Euro mussten die ÖBB im Vorjahr an knapp 21.000 Bahnkunden als Entschädigung zahlen. Unklar ist, wie viel Prozent der Fahrgäste, die zu spät kommen, tatsächlich einen Antrag stellen. Entschädigungen müssen innerhalb eines Monats ausbezahlt werden.