Chronik/Österreich

Drogendeals im Kinderzimmer

Es ist ein Marktplatz wie Amazon oder eBay. Verkäufer werden benotet, das Produkt mit guten oder schlechten Bewertungen beschrieben. Und bezahlt wird mit schwer nachvollziehbaren Bitcoins, der virtuellen Währung für das Internet.

Gekauft werden können hier aber: Waffen, Kinderpornos, gestohlene Kreditkartendaten und immer öfters auch Drogen. Das mittlerweile gesperrte "Silk Road" und nun "Agora" sind die Umschlagplätze, eine Art Amazon für Illegales. Hier findet das statt, was es bereits Mitte der 90er-Jahre in den Anfangszeiten des WWW gab: Ein praktisch nicht kontrollierter Markt.

Um dabei zu sein, benötigt man nur einen sogenannten Tor-Browser. Über diesen lassen sich jene dunkle Ecken im Internet finden, die Google niemals anzeigen würde. Nebenbei wird auch verschlüsselt, wer eine Seite betreibt und auf diese gerade zugreift. Selbst Geheimdienste können dieses Netzwerk nicht knacken.

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Dieses Darknet dient Dissidenten im arabischen Raum genauso wie Journalisten, die Informationen verschlüsseln. Doch auch zwielichtige Gestalten nutzen diesen Raum immer stärker. "Das Darknet bietet Kriminellen einen virtuellen Rückzugsraum und Anonymität", sagt Innenministerin Johanna Mikl-Leitner.

Die dunklen Ecken

Im aktuellen Drogenbericht des Innenministeriums, der dem KURIER vorliegt, wird das Schlaglicht deshalb auf diese dunkle Ecke im World Wide Web geworfen. Denn die Konsumenten werden dadurch jünger und die Dealer sind keine Straßengangster mehr, sondern sitzen heute virtuell mitten im Kinderzimmer. Im deutschen Leipzig etwa läuft derzeit ein Verfahren gegen einen mittlerweile 20-Jährigen, der jahrelang aus der elterlichen Wohnung (ohne dass Vater und Mutter etwas mitbekamen) gedealt haben soll. Unglaubliche 914 Kilo Drogen aller Art soll er bestellt, in seinem Zimmer abgepackt und dann per Paketdiensten an die Kunden der Plattform "Shiny Flakes" ausgeschickt haben. Bei "Silk Road" etwa war ein 25-jähriger Wiener aktiv.

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Seit Februar durchleuchtet das heimische Bundeskriminalamt mit IT-Experten für ein EU-Projekt 24 Monate lang das Darknet. "Die gehandelten Drogenmengen bewegen sich sowohl auf Großhandels- als auch Eigenkonsumniveau", sagt Polizeisprecher Mario Hejl. Details dazu werden nun ermittelt.

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Durch den einfachen Zugang im Internet dürften auch die Konsumenten immer jünger werden. So hat sich die Zahl der erwischten Erstkonsumenten unter 18 Jahren zwischen 2012 und 2014 mehr als verdoppelt – auf zuletzt fast 1400 Anzeigen. "Vermehrt sind auch unter 14-Jährige unter den Konsumenten", betont Mikl-Leitner. "Dabei ist unsere Polizei immer öfter mit einer Verharmlosung der Gefahren und einem fehlenden Unrechtsbewusstseins seitens der jugendlichen Konsumenten konfrontiert."

Auch insgesamt steigen die Anzeigen wegen Drogenhandels erstmals seit Jahren wieder an. Zuletzt schwankten die Zahlen meist zwischen 23.000 und 25.000, im vergangenen Jahr waren es österreichweit mehr als 30.000 Anzeigen.