"Die Lage stabilisiert sich, aber den Sekt würde ich noch nicht öffnen"
Von Thomas Martinz
Robert Klinglmair von der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt spricht im KURIER-Interview über volkswirtschaftliche Auswirkungen des angesetzten Rotstifts sowie Strategien, um die prognostizierten Abwanderungstendenzen aus Kärnten zu stoppen.
KURIER: Nach der abgewendeten Insolvenz steigt Kärntens Kreditwürdigkeit. Sind weitere positive Auswirkungen erkennbar?
Klinglmair: Eine verhalten positive Entwicklung ist durchaus spürbar, die Lage stabilisiert sich. Aber man muss das Verhindern der Insolvenz als Startschuss sehen, den Sekt würde ich noch nicht öffnen. Wichtig ist, dass die Arbeitslosenzahlen auch im November rückläufig sind (–1,1 Prozent im Vergleich zum November 2015, Anm.). Diesbezüglich besteht mit der Abwendung der Pleite allerdings kein Zusammenhang, die Arbeitslosenzahlen in Kärnten gehen bereits seit April zurück; so gesehen ist die Entwicklung bei den wesentlichen Arbeitsmarktzahlen sogar dynamischer als im gesamten Österreich. Die Jugendarbeitslosigkeit beispielsweise sinkt in Kärnten erheblich (–11 Prozent, Anm.).
Jahrzehntelanges Sparen ist erforderlich; um die HETA-Ausgleichszahlungen zu finanzieren. Wird man das volkswirtschaftlich auch jahrzehntelang mitschleppen?
Nicht zwingend. Kärnten soll den Sparzwang positiv sehen. Hier muss zwangsweise der Gürtel enger werden, hier müssen Reformen, die überfällig waren, angepackt werden. Also warum nicht die Gunst der Stunde nutzen?
67 Millionen sollen 2017 eingespart werden, quer durch alle Bereiche. Aber auch bei Sozialleistungen wie Heizkostenzuschuss, Mütterpension, Schulstartgeld, Schuldnerberatung, Pendlergeld wird der Rotstift angesetzt. Wie verkauft man das den Bürgern?
Für die volkswirtschaftliche Entwicklung wichtige Bereiche wie Bildung oder Forschung und Entwicklung müssen ausgeklammert bleiben. Sparen kommt nie gut an, aber man kann auch Sozialleistungen kürzen, so lange dies sozial ausgewogen erfolgt. Wichtig ist, dass man die Notwendigkeit erklärt. Man muss klarmachen, dass es um Maßnahmen geht, die auch in 20, 30 Jahren wirken und den Wirtschaftsstandort sichern.
Kärnten soll laut Prognosen bis 2080 als einziges Bundesland ein negatives Bevölkerungswachstum aufweisen. Wie ist das erklärbar?
Die Zahlen haben sich gebessert. Vor zwei Jahren hieß es noch, Kärnten werde schon bis 2030 schrumpfen, jetzt wird sogar ein Zuwachs von 2,1 Prozent vorhergesagt. Aber ja, Kärnten wird dann schrumpfen, weil beispielsweise die Ballungsräume in Graz und Wien für Flüchtlinge viel attraktiver sind. Die haben dort Freunde, Verwandte, ihre Netzwerke. Und die jungen, gut ausgebildeten Kräfte zieht es aus Studiengründen weg. Das Problem ist aber nicht, dass sie sich wo anders ausbilden lassen, sondern dass sie nicht mehr zurückkommen, weil sie in anderen Bundesländern größere Chancen auf eine Anstellung haben.
Die Politik betont, man setze ausreichend Maßnahmen, um gegenzusteuern. Sind das Lippenbekenntnisse?
Nein, Initiativen wurden und werden gesetzt, wobei sie Zeit brauchen, um zu greifen. Der Arbeitsmarkt hat sich durch Aktionen wie dem Jahr der Jugend, dem Territorialen Beschäftigungspakt (Maßnahmen für gefährdete Gruppen am Arbeitsmarkt, Anm.) oder der Förderung der Akademikerinnenjobs (Lohnkostenförderung für Jungakademiker, die ein Dienstverhältnis in Kärnten annehmen) stabilisiert.