Chronik/Österreich

Die Justiz wird immer weiblicher

Die Tiroler Chefanklägerin Brigitte Loderbauer erinnert sich noch an die Zeit in den 1950er-Jahren, als man der ersten Staatsanwältin keinen Talar zubilligen wollte. Richter und Staatsanwälte waren damals Männerberufe. "Wenn Frauen Jus machten, dann als Hilfspersonal in Kanzleien oder Verwaltungsjuristen", sagt Loderbauer: "Sie sind nicht nach außen aufgetreten. Der Beruf steht aber im öffentlichen Interesse, wenn man das nicht will, muss man Männer hinsetzen."

Die Sache mit dem Amtskleid hatte sich bald erledigt. Und das stille Wirken im Kämmerchen änderte sich in den 1970er-Jahren, als Frauen wie Helene Partik-Pablé oder Liane Höbinger-Lehrer (2010 verstorben) – um nur zwei zu nennen – von sich reden machten. Die eine wurde als U-Richterin im AKH-Skandal bekannt und 1981 vom Magazin trend zur "Frau des Jahres" gekürt. Die andere wetterte im "Club 2" im ORF über liberale Strafvollzugsmaßnahmen für so genannte Triebtäter. Beide Damen saßen parallel zu ihrer Laufbahn bzw. gegen Ende für die FPÖ im Nationalrat.

In den 1990er-Jahren war die Justiz aber nach wie vor fest in männlicher Hand, nur jeder fünfte Posten bei Gericht oder Anklagebehörde war mit einer Frau besetzt. Und nur 6,5 Prozent aller Talarträgerinnen wurden in höhere Positionen berufen.

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Inzwischen haben die Frauen die Männer in der Justiz überholt: 55,62 Prozent der 2000 Richter und 53,85 Prozent der 533 Staatsanwälte sind weiblich. Auch in Führungspositionen gibt es weiblichen Zuwachs: 44,68 Prozent der Gruppenleiter bei den Anklagebehörden sind Frauen, und gar 75 Prozent sind Chefinnen der Oberstaatsanwaltschaften. Das kann sich schlagartig ändern, wenn Ulrike Althuber in Linz Ende des Jahres in Pension geht. Es haben sich für die Nachfolge bisher nur Männer beworben, damit wäre eine Pattstellung erreicht.

Bei den Gerichten haben die Frauen in Spitzenjobs noch nicht so deutlich nachgezogen, nur 36,84 Prozent der Gerichtspräsidenten sind weiblich. Und unter den 13 Senatspräsidenten beim Obersten Gerichtshof gibt es nur eine Dame.

Sehr genau

Für die Anwälte spielt es keine große Rolle, ob sie es mit einem Richter oder einer Richterin zu tun bekommen. Strafverteidiger Manfred Ainedter sagt: "Ich hab’ die Frauen in der Justiz gern. Sie sind sehr genau." Kehrseite der Medaille: "Mitunter könnte man die eine oder andere Sache schneller erledigen."

Die Leitende Oberstaatsanwältin Brigitte Loderbauer hält die Geschlechterfrage "aus heutiger Sicht für kein großes Thema mehr. Aber ich gehöre noch einer Generation an, wo Frauen in der Justiz etwas Besonderes waren." Es gehe um Qualität, nicht ums Geschlecht, "es soll ein ausgewogenes Verhältnis bei allen Verantwortlichen sein." Für Änderungen sieht sie keinen großen Bedarf. "Aber es hat schon Frauenförderungspläne gebraucht, sonst wären wir nicht dort hingekommen."

Sie selbst war bis in die 1990er-Jahre die erste und einzige Staatsanwältin in Linz (später Behördenleiterin in Steyr und Innsbruck), und gleich willkommen. "Nur bei der Polizei waren sie anfangs verwundert und haben gefragt, ob sie den HERRN Staatsanwalt sprechen können."

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