Chronik/Österreich

"Es geht ums schiere Überleben"

KURIER: Sie sind immer wieder in den verschiedenen Krisengebieten. Sudan, Syrien, Senegal, etc. Wie ist das Leben dort, bzw. sind diese Lebensumstände überhaupt erzählbar?

Christoph Schweifer: Sie sind dramatisch und perspektivenlos. Unser Job ist es, dass die Dramatik abnimmt und die Perspektive wechselt.

Wie ist es zum Beispiel im Libanon – mit 4,5 Millionen Einwohnern so groß wie Tirol und mit 1,5 Millionen Flüchtlingen vor Ort?

Es gibt keine offiziellen Flüchtlingscamps. Die Flüchtlinge sind in Rohbauten, Kellern und Zelten untergebracht. Das Hauptproblem ist das schiere Überleben; ein Dach über dem Kopf zu haben. Und das ist nicht gesichert. Dazu kommt noch die Traumatisierung der Menschen. Ich habe immer wieder Kinder getroffen, die nicht sprechen – weil sie gesehen haben, wie ihr Vater umgebracht wurde oder herumliegende Leichenteile auf den Straßen. Auch die Mütter sind traumatisiert.

Wie verbringen Kinder den Alltag? Haben sie Spielzeug bzw. womit spielen sie?

Kinder sind äußerst kreativ, vorausgesetzt, sie sind nicht traumatisiert. Sie machen aus Müll Spielzeug. Kinder, die die Möglichkeit haben, die Schule zu besuchen, wollen keine Ferien.

Wenn Sie so viel Elend sehen, wie verkraften Sie das?

Mein Job ist belastend, wenn man sieht, unter welchen elendiglichen Bedingungen Menschen leben müssen; wie furchtbar Menschen anderen Menschen gegenüber sein können. Gleichzeitig bin ich in der glücklichen Situation, etwas tun zu können – das motiviert.

Haben Sie bei Besuchen in Krisengebieten eigentlich Angst?

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N-j-ein. Ich gehöre eher zu den Vorsichtigen. Wir haben klare Sicherheitsstandards. Durch unsere Partner wissen wir, wo wir hingehen dürfen und wo nicht. Ich fühl mich sicher und bin auch kein Haudegen. Die größte Gefahr sind Verkehrsunfälle und gesundheitliche Gefahren. Das Risiko spürst du nicht, ob es brenzlig war oder nicht.

Sie kommen zurück nach Österreich und finden eine Wohlstandsgesellschaft vor. Bekommen Sie dann Aggressionen?

Ich brauch immer wieder Zeit, mich in Österreich zu orientieren. Sehr vieles relativiert sich. Eigentlich gehört ein gutes Gefühl von Dankbarkeit dazu.

Wenn es einen Gott geben sollte, warum lässt er derartige Ungerechtigkeiten zu?

Das ist eine gute Frage. Das kann ich nicht abschließend beantworten. Das viele Leid, das ich sehe, ist von Menschen verursacht. Wir haben einen freien Willen – zum Guten und zum Bösen. Unser Wille ist, dass das Gute siegt. Und diese Fähigkeit haben wir von Gott geschenkt bekommen.

Wie könnte Ihrer Meinung nach die große Kluft zwischen Arm und Reich kleiner werden?

Ich weiß es nicht genau. Was ich aber weiß: Hunger ist beseitigbar.

Und warum wird Hunger nicht beseitigt?

Weil es dafür viel zu wenig Engagement gibt. Von der österreichischen Bundesregierung, die zu wenig Entwicklungshilfe leistet, bis hin zu lokalen Regierungen vor Ort, die sich um die eigenen Leute nicht kümmern.

Finden Sie die österreichische Flüchtlingspolitik okay?

Was wir derzeit in Österreich erleben, ist natürlich eine Herausforderung. Aber es ist möglich, effiziente Flüchtlingspolitik zu betreiben. Es braucht einen gemeinsamen politischen Willen, das zu tun.

Manche Wirtschaftsexperten meinen, dass es Arm und Reich, Hunger und Elend geben müsse, um die Wirtschaft zu beleben.

Das halte ich für eine billige Ausrede. Denn die Schlussfolgerung daraus wäre ja, man muss nichts tun. Das kann es nicht sein.

Was ist Ihre letzte Hoffnung?

Wir sind das erste Mal in der Lage, extreme Armut und Hunger zu beseitigen. Das war in der Geschichte der Menschheit noch nie der Fall. Meine Hoffnung ist, dass wir das auch tun.

Nach monatelangen Debatten über Flüchtlingsquartiere haben sich das Land Salzburg und der Bund geeinigt, einen Teil der Schwarzenbergkaserne für Flüchtlinge zu öffnen. Auf dem Gelände sollen Container aufgestellt werden. Obwohl in den vergangenen Tagen von fast allen politischen Parteien ein Ende des Zeltlagers und eine Öffnung der Schwarzenbergkaserne gefordert worden war, will grüne Landesrätin Martina Berthold (Grüne) erst prüfen, ob das Grundstück für Container geeignet ist.

In der Gemeinde Ossiach in Kärnten verstärken sich unterdessen die Vorbehalte gegen das geplante Erstaufnahmezentrum für Asylwerber. Bei der Eröffnung des Carinthischen Sommers wurde Donnerstagabend in Anwesenheit von Bundespräsident Heinz Fischer protestiert. 50 Bürger hatten sich versammelt, um Fischer auf ihre Ängste aufmerksam zu machen. „Unsere Gemeinde hat 700 Einwohner. Und hier soll meinen Informationen zufolge Platz für 240 Asylwerber geschaffen werden“, sagte Gernot Prinz, Sprecher einer Bürgerinitiative in Ossiach, der Fischer einen Brief überreichte. Dieser betonte, man müsse für die Bürger vor Ort, aber auch für Flüchtlinge Gehör haben.

Der Vorarlberger Landtag hat am Donnerstag eine Novelle des Baugesetzes zur Erleichterung von Einrichtung von Flüchtlingsquartieren beschlossen. In bestehenden Anlagen sind keine Umwidmung der Gemeinde und keine Baugenehmigung nötig.