Chronik/Österreich

Bodenstrategie laut WWF "politische Kapitulation vor dem Flächenfraß"

Noch im Jahr 2023 soll - mit Verspätung - die "1. Österreichische Bodenschutzstrategie" beschlossen werden, um so den Bodenverbrauch um 80 Prozent zu reduzieren. Im März steht laut WWF die Publikation des finalen Entwurfs auf dem Programm. Dieses "Raumentwicklungskonzept ÖREK 2030" sei jedoch eine "politische Kapitulation vor dem Flächenfraß", so der NGO-Kommentar. "Bund, Länder und Gemeinden" hätten die Strategie "weiter verschlechtert" und gemeinsam "verbindliche Ziele abgeschwächt".

Die auch der APA vorliegende Fassung ist die siebente Version. 15 Monate ist es her, als im Oktober 2021 die Österreichische Raumordnungskonferenz (ÖROK) unter dem Vorsitz der damaligen Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) deren Erarbeitung angekündigt hat. Ziel war es, bis 2030 den Bodenverbrauch um 80 Prozent - auf 2,5 Hektar - zu reduzieren.

Köstinger wollte die Strategie im Einvernehmen Bund, Ländern, Städten und Gemeinden innerhalb eines Jahres auf den Weg bringen. "Wir müssen und werden den Flächenfraß in Österreich stoppen", sage sie damals.

Warnung vor Aufweichung früherer Ziele

Der WWF sieht jedoch wenig Chancen, dass dieses Ziel mit den auf über 50 Seiten aufgelisteten Maßnahmen erreicht werden kann: "Selbst die im Regierungsprogramm bereits vor drei Jahren versprochene Reduktion des Bodenverbrauchs auf 2,5 Hektar pro Tag wird wieder in Frage gestellt und soll gemäß Entwurf nochmals einer 'Plausibilisierung' unterzogen werden", lautet einer der Kritikpunkte der Umweltschutzorganisation.

Tatsächlich findet sich in dem Entwurf ein Passus, bei dem von einer "Plausibilisierung resp. Anpassung des '2,5 ha'-Ziels des Bundes" die Rede ist. Diesem "Nachvollziehbarmachen" - es soll noch heuer stattfinden - soll dann 2024 laut ÖREK-Zeitplan eine Diskussion zu einem "gemeinsamen österreichweiten Zielwert" erfolgen, ein Jahr später ein Fortschrittsbericht erstellt werden, dieser dann 2026 veröffentlicht werden.

Naturschutz und Verkehr außen vor

Das zentrale Thema Naturschutz sei in dem Papier de facto nicht zu finden, ebenso wenig der Verkehr, resümierte der WWF. Und was das Reduktionsziel bis 2030 betrifft, so ortete WWF-Bodenschutzsprecher Simon Pories einen weiteren Mangel: "Die Ökologisierung des Finanzausgleichs wird erst für das Jahr 2030 in Aussicht gestellt. Das zeigt exemplarisch, wie sehr sich die zuständigen Stellen vor ihrer Verantwortung drücken".

Jedoch hat die Bodenstrategie Aufholbedarf: Als die im Oktober 2021 angekündigte Jahresfrist verstrichen war, hatte Köstingers Parteikollege Norbert Totschnig die Agenden bereits seit fünf Monaten inne; die Bodenschutzstrategie schien dasselbe Schicksal wie das Klimaschutzgesetz ereilt zu haben.

"Qualität vor Tempo"

Zum Jahresende 2022, kurz vor dem "Tag des Bodens" am 5. Dezember, meldete sich Totschnig dann doch wieder zum Thema. Den Flächenfraß in Österreich zu reduzieren, müsse "unser aller Ziel" sei, sagte der Minister - die Strategie bekam aber noch eine weitere Wartefrist. Es gelte "Qualität vor Tempo", die Beschlussfassung sei 2023 im Rahmen einer politischen ÖROK-Sitzung geplant, sagte der Landwirtschaftsminister damals.

Der WWF ortet neben der verbindlichen Obergrenze für den Bodenverbrauch hingegen die Notwendigkeit "rascher zeitliche Vorgaben"

"Ungewöhnlich hohe Versiegelung" im Jahr 2021

Die aktuelle Entwicklung hat das Umweltbundesamt (UBA) vor kurzem vorgelegt: Vor zwei Monaten ging aus der UBA-Bilanz für 2021 hervor, dass jeden Tag zehn Hektar an Fläche verbraucht worden war, über 50 Prozent (5,8 Hektar) sei durch Versiegelung dauerhaft verloren gegangen. Laut UBA sei das ein ungewöhnlich hoher Versiegelungsgrad, da dieser in den Vorjahren bei knapp über 40 Prozent gelegen sei.

Umweltschutzorganisationen warnten damals erneut vor der unwiederbringlichen Zerstörung der Lebensgrundlage - nun warnte der WWF angesichts des Entwurfs auch vor einer "zahnlosen Absichtserklärung, die das Papier nicht wert ist, auf dem sie gedruckt ist."