Chronik/Österreich

Bloßer Transport von Flüchtlingen macht aus Taxlern keine Schlepper

Hunderttausende Flüchtlinge wurden im Sommer 2015 mehr oder weniger unkontrolliert durch Österreich geschleust. Die Menschen marschierten zu Fuß, fuhren mit der Bahn – oder mit dem Taxi. Die Chauffeure wurden alsbald als Schlepper ausgemacht, zum Teil verhaftet, angeklagt und verurteilt.

Jetzt hat der Oberste Gerichtshof (OGH) in einem Präzedenzfall entschieden, dass "die bloße Beförderung von bereits illegal nach Österreich eingereisten Fremden" noch keine nach dem Fremdenpolizeigesetz gerichtlich strafbare Förderung der illegalen Durchreise ist. Das Urteil könnte Folgewirkung für mehrere derartige Verfahren haben.

Der gebürtige Syrer Y. ist Taxifahrer am Flughafen Wien-Schwechat. Er lenkt ein Großraumtaxi mit acht Sitzen. Im Sommer 2015 unternahm er im Auftrag eines Bekannten, der für eine Schlepperorganisation arbeitete, drei Fahrten von der – damals von Flüchtlingen überlaufenen – Grenze im burgenländischen Nickelsdorf nach Wien. Er brachte insgesamt 16 Syrer in die Bundeshauptstadt und kassierte pro Person 50 Euro Fuhrlohn.

20 Monate Haft

Am 19. September wurde der 32-Jährige als Schlepper bzw. Mittäter verhaftet, er saß vier Wochen in U-Haft, Ende Jänner 2016 wurde er im Landesgericht Korneuburg (gemeinsam mit dem Bekannten und einem weiteren Mitangeklagten) als gewerbsmäßiger Schlepper zu 20 Monaten unbedingter Haft verurteilt.

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Sein Strafverteidiger Timo Gerersdorfer bekämpfte das Urteil beim Höchstgericht und hatte Erfolg. Der OGH vermisste Beweise dafür, dass der Vorsatz von Y. darauf gerichtet war, die illegale Durchreise von Fremden zu fördern.

Das Erstgericht hatte im Urteil lediglich festgehalten, dass die Angeklagten "in den jeweiligen Handlungsphasen als Mittäter" der Schlepperorganisation gehandelt hätten – und das ist offenbar zu wenig.

Der OGH kann zwar nicht dem Argument des Anwalts folgen, die österreichischen Behörden hätten ohnehin die Ein- und Durchreise sämtlicher Fremder freigegeben. Der bloße Transport von der Grenze nach Wien macht laut dem höchstgerichtlichen Erkenntnis aus einem Taxler aber noch keinen Schlepper. Und schon gar keinen gewohnheitsmäßigen, weil "eine gewerbsmäßige Begehung erst ab der dritten Tat vorliegen kann."

Fuhrlohn

Das Urteil wurde aufgehoben. Im wiederholten Prozess wird ein weiteres OGH-Erkenntnis zu beachten sein: Danach machen sich Schlepper-Fahrer nicht strafbar, wenn sie von den Fahrgästen (=Flüchtlingen) bloß den angemessenen Fuhrlohn kassieren und sich nicht unrechtmäßig bereichern.

Anwalt Gerersdorfer hat recherchiert, dass der private Taxivermittler Uber für die Strecke von Wien bis Nickeldorf zwischen 187 und 248 Euro verlangt. Die von Y. kassierten 50 Euro pro Person für Hin- und Rückfahrt könnten daher durchaus angemessen sein.