Arbeitspsychologe: "Job fürs Leben passé"
Von Anita Staudacher
Der KURIER sprach mit dem deutschen Arbeitspsychologen Thomas Lang-von Wins über die Anforderungen der Arbeitswelt von morgen, die Defizite der Schulen und wie es gelingt, ältere Arbeitnehmer länger im Job zu halten.
KURIER: Viele Betriebe klagen, dass Schulabgänger schlecht qualifiziert sind. Bereitet die Schule nicht mehr auf die Arbeitswelt vor?
Lang-von Wins: Die Schule kann mit den sich ständig ändernden Anforderungen der Wirtschaft gar nicht mehr mithalten und hat schließlich auch noch einen Bildungsauftrag zu erfüllen. Betriebe vertrauen den Zeugnissen der Schulen nicht mehr. Sie wollen wissen, wo die Kompetenzen der Lehranfänger liegen und da ist die Fixierung auf Noten einfach falsch. Der Arbeitsmarkt verlangt von Berufsanfängern sehr viel größere Anstrengungen. Auf diese Anstrengungen und Anpassungsphasen im Berufsleben wird aber zu wenig vorbereitet.
Was müssen die Schulen verbessern?
Sie tun zu wenig für die Eigenverantwortung der Schüler. Es geht um das Bewusstsein der eigenen Stärken. Schulen sind im Allgemeinen Defizit-orientiert und nicht Stärken-orientiert. Es geht auch darum, proaktiv zu sein und nicht passiv. Schulabgänger sollten wissen, was sie können, wohin sie wollen und wie sie handeln müssen, um etwas zu erreichen. Wer passiv ist, resigniert leicht. Wird Passivität gefördert, so werden Kompetenzen wieder verlernt und das Risiko, dauerhaft arbeitslos zu sein, steigt.
Wie oft werden wir in Zukunft umlernen müssen?
Der Job fürs Leben ist ein Auslaufmodell, Karriereverläufe werden brüchig, Stellen- oder sogar Berufswechsel in Zukunft signifikant zunehmen. Die Gründe sind sowohl die Auswirkungen der Globalisierung, immer raschere Technologie-Sprünge, der Wandel hin zur Dienstleistungsgesellschaft oder Konjunkturkrisen.
Welche Fähigkeiten sind neben der fachlichen in der Arbeitswelt von morgen am meisten gefragt?
Es geht abgesehen von der fachlichen Kompetenz um die Beschäftigungsfähigkeit, also die Fähigkeit, die eigenen Berufskarriere gestalten zu können. Das erfordert Flexibilität, ohne dabei die eigene Identität zu verlieren. Dafür muss man aber erst seine eigenen Stärken und Werte kennen.
Wo lernt man solche Fähigkeiten?
Bisher nirgendwo. Am ehesten lernen es noch jene, die Unternehmer werden wollen. Aber mir geht es nicht um eine neoliberale Eigenverantwortung des einzelnen, sondern ich sehe das durchaus als Auftrag an das Bildungssystem.
Jobwechsel heißt oft auch Arbeitslosigkeit. Worauf soll bei Schulungen von Arbeitslosen Wert gelegt werden?
Das Wichtigste ist, Arbeitslose zu motivieren, wieder aktiv zu werden. Viele haben enttäuschte Hoffnungen, glauben nicht mehr an sich, sind passiv geworden. Da hilft nur eine systematische Auseinandersetzung mit den Stärken und Schwächen und das intensive Erarbeiten neuer Perspektiven, die auch außerhalb des bisherigen Jobs liegen können. Von reinen Beschäftigungstherapien in Kursen halte ich nichts, Arbeitslose wollen ja eine Arbeit und keine Gesellschaft.
Wie können Ältere motiviert werden, noch etwas Neues zu lernen?
Schwierig. Dass Ältere wieder einen Job finden, wenn sie top qualifiziert sind, ist ja oft ein unseriöses Versprechen. Sie werden auch wegen des Alters nicht mehr genommen. Hier braucht es erst einen Kulturwandel, damit die Erfahrungen von älteren Arbeitnehmern wertgeschätzt werden und das Alter kein Stigma mehr ist.
Wie soll das funktionieren?
Betriebe müssen sehen, dass hier Werte sind, auf die die jungen Kollegen kaum zurückgreifen können. Häufig wird nur geschaut, worin die Älteren langsamer und schwächer sind, und nicht, was sie im Laufe des Berufslebens alles gelernt haben. Eine solche Haltung schadet auch den Unternehmen, weil sie wichtiges Erfahrungswissen gehen lassen.
Zur Person: Kompetenz-Experte
Thomas Lang-von Wins (48), studierter Psychologe, ist Professor für Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität der Bundeswehr München.
Autor Lang-von Wins beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Potenzial- und Kompetenzdiagnose bzw. -förderung von Arbeitnehmern und Unternehmensgründern. Er ist Gesellschafter und Gründer der PerformPartner, einer Gesellschaft für kompetenzorientierte Beratung. Er schrieb unter anderem die Bücher "Komptenzorientierte Laufbahnberatung" sowie "Potenzialbeurteilung".