Chronik/Österreich

40.000 Euro für verkürzte Lebenserwartung

In Vorarlberg kam ein Mann mittleren Alters mit intensiven Schmerzen in der linken Schulter ins Krankenhaus. Nach der Diagnose Schulterschmerzen wurde dieselbe behandelt. Drei Tage später erlitt der Patient einen schweren Herzinfarkt, der zu einer irreversiblen Schädigung des Herzens führte.

Die Diagnose war falsch. Die Schulterschmerzen kamen von einem akuten Koronarsyndrom. Hätte der Mann nach den Regeln der ärztlichen Kunst gleich eine Therapie zur Wiederherstellung der Durchblutung des Herzmuskels erhalten, wären Herzinfarkt und die dadurch hervorgerufene Verminderung der Herzmuskelfunktion zu verhindern gewesen.

Atemnot

Der Mann litt nach dem Infarkt 21 Tage an Schmerzen. In der Folge sind im Verlauf eines typischen Tages bei körperlichen Belastung Herzrhythmusstörungen mit einer Dauer von acht Stunden pro Tag anzunehmen. Dazu kommen weitere acht Stunden Atemnot und Beklemmung. Die Leistungsfähigkeit ist gegenüber einer gesunden Person um mindestens 50 Prozent reduziert. Für alle diese Folgen hat das Krankenhaus finanziellen Ersatz zu leisten, das stand rasch fest. Aber wie viel Schmerzensgeld gebührt dem Mann? Das Verfahren um diese Frage ging bis zum Obersten Gerichtshof (OGH).

Das Krankenhaus leistete eine Vorauszahlung von 50.000 Euro. Der Mann forderte weitere 150.000 Euro. Unter anderem auch dafür, dass er sich in relativ jungen Jahren einer eingeschränkten Lebenserwartung gegenübersieht. Tatsächlich ist die Prognose ungünstig und die statistische Lebenserwartung erheblich reduziert. In 30 bis 50 Prozent der Fälle sterben Patienten, die an chronischem Herzversagen leiden, an plötzlichem Herztod. In den restlichen Fällen nach schwerem Leiden infolge eines progressiv verlaufenden Pumpversagens des Herzmuskels. Der Mann übt zwar nach wie vor seinen Beruf aus und die Geburt seines Kindes gab ihm Auftrieb, führt aber auch zu Existenzängsten.

Die Zuerkennung einer Entschädigung für den verfrühten Tod hat das Höchstgericht bisher immer abgelehnt. In diesen Fällen hatten Angehörige von Unfallopfern Schmerzensgeldansprüche auf die Verkürzung der Lebenserwartung des Opfers gestützt, sie begehrten also laut OGH "im Wesentlichen Ersatz für eine Zeit nach dem Tod des Opfers". Hier aber geht es um das Wissen um eine deutlich verkürzte Lebenserwartung. Das ist in Kombination mit den täglichen Schmerzen (weitere) 40.000 Euro "wert". Die geforderten 150.000 Euro hält der OGH aber für überzogen.