15 Jahre Haft für Hummer-Fahrer
Erstmals im Prozessverlauf sprach der Angeklagte Thomas B., 36. Er drehte sich zu den Angehörigen jenes Motorradpolizisten um, den er am 11. Oktober 2012 im ungarischen Apátfalva nach einer aus dem Ruder gelaufenen Verkehrskontrolle überfahren hatte. "Es tut mir leid, ich war in Panik. Ich wollte das nicht", ließ er die Hinterbliebenen wissen.
Vieles an den Vorwürfen gegen den Mechaniker aus Salzburg erwies sich als eine mediale Legende. Es war etwa die Rede von einer Amokfahrt im Drogenrausch. Im Blut des "Cop-Killers", wie ihn österreichische Zeitungen getauft hatten, ließen sich aber keine Drogen nachweisen. Am Hauptvorwurf, dem Mord am Polizisten Imre Kenéz, hielt Staatsanwalt Csaba Nagy bis zuletzt fest. In seinem Plädoyer hatte er von einer "absichtlichen Tötung" gesprochen und eine Zuchthausstrafe gefordert. Der Richter folgte ihm in beiden Punkten: B., der seit zwei Jahren in U-Haft ist, fasste 15 Jahre in einem Zuchthaus aus. Im Unterschied zu einem Gefängnis erwartet ihn dort ein verschärfter Vollzug: eine strengere Bewachung, weniger Sport, Hofgänge und Besuche.
Das zähe Beweisverfahren ließ viele Fragen offen. Die brennendste brachte der KURIER zwei Monate nach dem Vorfall auf: B., der damals mit drei Deutschen in vier Hummer-Fahrzeugen von einem Offroad-Trip in Rumänien auf dem Heimweg war, hatte stets beteuert, er sei mit einem Pfefferspray durch das offene Autofenster von einem Beamten attackiert worden und "im Blindflug" auf den Polizisten losgefahren. Ein Begleiter spielte dem KURIER damals ein Video der Verfolgungsjagd zu, das eine Sequenz zeigt, die diesen Verdacht nahelegt. Für das Gericht fand der Pfefferspray-Einsatz nicht statt. Das chemische Gutachten förderte einen groben Widerspruch zutage: Weder in den Kleidern noch im Auto hatte der Chemiker Reizgas-Spuren gefunden. Später, im Zeugenstand, gab ein Polizist aber zu, bei B.s Festnahme Reizgas eingesetzt zu haben.
Kein neues Gutachten
Hätte dann das Gutachten nicht einen Nachweis erbringen müssen? Richter Attila Joo gab kein neue Untersuchung in Auftrag. Er verließ sich auf die Aussage eines Notarztes, der bei dem mehrfach angeschossenen B. keine Rötungen im Gesicht oder in den Augen gesehen hatte. Dem Richter reichte das.
B.s Verteidiger Janos Buza versuchte, die Erlebnisse aus B.s Sicht zu rekonstruieren. Sein Mandant sei nicht sofort stehen geblieben, weil mehrfach auf ihn geschossen worden sei. 14 Kugeln in Summe. "Polizisten sind nicht berechtigt, bei einer Verkehrskontrolle wild um sich zu schießen." Der Anwalt erinnerte an B.s Aussage über den Pfefferspray-Einsatz und an die widersprüchlichen Zeugenaussagen. Es handle sich um einen konstruierten "Vorsatz". Gegenüber dem KURIER erklärte er, dass die "Schlussfolgerung falsch" sei.
In B.s Umfeld hatte niemand mit diesem harten Urteil gerechnet. "Wir hoffen jetzt, dass die Berufung daran etwas ändert", sagt B.s Ehefrau. Ein Dreier-Senat wird den Fall prüfen, kann die Strafhöhe senken – aber auch erhöhen. Das Urteil ist somit nicht rechtskräftig. Der Staatsanwalt behielt sich das Recht für eine Berufung vor.
B. bleibt vorerst in Szeged in Haft. Eine Überstellung nach Österreich ist zwar möglich, jedoch muss er zumindest die Hälfte seiner Haftzeit in Ungarn verbüßen.